Nalini Singh - Gestaltwandler 12 - Geheimnisvolle Berührung.pdf

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NALINI SINGH
GEHEIMNISVOLLE
BERÜHRUNG
Roman
Ins Deutsche übertragen von
Nora Lachmann
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Zu diesem Buch
Mit seiner telekinetischen Begabung gehört Kaleb Krychek zu den mächtigsten Männern des Rates der
Medialen. Kaum jemand kann es mit seinen mentalen Fähigkeiten aufnehmen. Zugleich hat das Trauma
seiner Kindheit, die er unter der Obhut des Mörders Santano Enrique verbrachte, jedoch deutliche
Spuren hinterlassen. Kaleb verfolgt skrupellos seine Ziele und schreckt auch nicht davor zurück,
seine Gegner mit Gewalt einzuschüchtern. Dieser Mann hat nur eine Schwäche: Die Mediale Sahara
Kyriakus, in die er sich in seiner Jugend verliebte, die jedoch vor sechs Jahren spurlos verschwand.
Seither sucht Kaleb nach ihr und findet sie schließlich in einer geheimen Einrichtung, wo sie von
Unbekannten gefangen gehalten wird. Es gelingt Kaleb, Sahara zu retten, doch die langen Jahre der
Folter und Misshandlung haben ihre Spuren hinterlassen. Ausgezehrt, entkräftet und dem Wahnsinn
nahe, ist Sahara nur noch ein Schatten ihrer selbst. Kann Kaleb es schaffen, in ihr die Frau
wiederzuerwecken, die er einst liebte und die noch immer eine brennende Sehnsucht in ihm
hervorruft? Zugleich verstärken sich die Unruhen in der Welt der Medialen. Immer wieder kommt es
zu terroristischen Anschlägen einer Splittergruppe, die viele Unschuldige das Leben kosten. Kaleb
und die anderen Mitglieder des Rates haben alle Hände voll zu tun, denn die Situation droht zu
eskalieren …
In finsterer Nacht
1979 entschied sich das Volk der Medialen für Silentium, die Konditionierung der Jugend zu einem
Leben ohne Gefühle – ohne Hoffnung oder Verzweiflung, ohne Angst oder Furcht, ohne Sorgen und
ohne Freude.
Aus tiefer Liebe und in vollem Bewusstsein, dass ihre Liebe nie erwidert werden würde,
verurteilten Mütter und Väter ihre Kinder zu einem Dasein in eisiger Selbstkontrolle. Sie sagten den
Kleinen, Silentium sei ein unschätzbares Geschenk, das sie vor dem Wahnsinn und der Gewalt
bewahren würde, die so häufig zusammen mit ihren wunderbaren geistigen Fähigkeiten auftraten.
Ohne Silentium werden wir uns selbst in blutigem Wahnsinn zerfleischen, bis von der Gattung
der Medialen nur noch furchtbare Erinnerungen übrig sind , erklärte ein führender Philosoph jener
Zeit.
1979 war Silentium ein Lichtstrahl der Hoffnung … aber seitdem sind mehr als hundert Jahre
vergangen.
Die konditionierten Kinder von damals sind schon lange tot, und das Medialnet wird von den
Anfangswellen eines Bürgerkriegs erschüttert, der es zerstören könnte, Mediale, Menschen und
Gestaltwandler mit sich in den Abgrund zu reißen droht.
Allmählich machen sich Unruhe in der Bevölkerung breit, mehr und mehr Leute werden sich der
furchtbaren Ironie eines Lebens in Silentium bewusst. Indem sie eine Gesellschaft geschaffen haben,
die vor allem diejenigen belohnt, die keinerlei Gefühle haben, bereiteten die Medialen den perfekten
Nährboden für Psychopathen in Führungspositionen vor.
Denn wer nichts fühlt, ist vollkommen in Silentium.
Rücksichtslos. Kaltblütig. Ohne Gnade … und ohne Gewissen.
1
Kaleb Krychek war Kardinalmedialer mit telekinetischen Kräften, ein Mann, dem niemand gern allein
im Dunkeln begegnete. Sieben Jahre, drei Wochen und zwei Tage hatte er seine Beute gejagt, selbst
im Schlaf hatte sein Bewusstsein das geistige Netzwerk durchkämmt, das pulsierendes Herz und
unentrinnbares Gefängnis der medialen Gattung war. Nicht einen Tag, nicht einmal eine Sekunde hatte
er mit der Suche ausgesetzt oder gar vergessen, was ihm genommen worden war.
Wer immer darin verwickelt gewesen war, würde sterben müssen. Niemand würde Kaleb
entkommen.
Doch im Augenblick hatten andere Dinge Vorrang: Die über Jahre gesuchte Person saß in einer
Ecke eines fensterlosen Raums in seinem Haus am Rande von Moskau. Kaleb beugte sich vor zu ihr
und hielt ihr ein Glas Wasser an den Mund. »Trink.«
Die Frau rückte nur noch weiter an die Wand, obwohl das kaum möglich schien, und zog die Knie
noch höher. Seit er sie vor einer Stunde aus der Gefangenschaft befreit hatte, wiegte sie sich
rhythmisch vor und zurück und sagte kein Wort. Ihr Haar war vollkommen verfilzt, ihre Oberarme
waren von frischen Kratzern und alten Narben verunziert.
Noch immer maß sie höchstens knapp über einen Meter fünfzig … das vermutete er jedenfalls.
Sicher konnte er nicht sein, denn schon vor der Teleportation hatte sie sich in dieser Kauerstellung
befunden und war später nur noch mehr in sich zusammengekrochen. Die mitternachtsblauen Augen
wichen seinem Blick aus, sobald er in ihr Blickfeld kam.
Die Frau senkte den Kopf, und die hüftlangen Haare – von Natur aus glänzend schwarz mit
leuchtend rotgoldenen Strähnen – fielen stumpf und fettig über den Schädel mit seinen hohlen Wangen
und hervorstechenden Knochen und der durchscheinenden, blassen Haut. Die Fingernägel waren
abgekaut und trotzdem blutverkrustet – wahrscheinlich hatte sie sich dennoch heftig gekratzt,
vielleicht auch jemand anderen oder auch beides.
Nun war auch klar, warum der Netkopf und der Dunkle Kopf sie nicht gefunden hatten, obwohl
Kaleb ihnen so viele Informationen wie möglich gegeben hatte, um die Suche zu beschleunigen. Die
beiden Wesenheiten kannten jeden Winkel des unendlich weiten geistigen Netzwerks, das alle
Medialen mit Ausnahme der Abtrünnigen verband, doch sie hatten die Frau nicht wiedererkannt. Ohne
den unzweifelhaften Beweis hätte nicht einmal er selbst es vermocht, obwohl er zur Teleportation in
ihr Bewusstsein hatte eindringen müssen, denn sie war nicht mehr dieselbe, war nicht mehr das
Mädchen, das er einst gekannt hatte.
Ob der verbliebene Rest ihrer Persönlichkeit mehr als nur eine zerbrochene Hülle war, ließ sich
noch nicht beantworten.
»Trink, oder ich lass dich in deinem Dreck verkommen.«
Früher hätte sie darauf reagiert – aber wer konnte wissen, ob dieser Teil von ihr noch existierte.
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