Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke - Rainer Maria Rilke.pdf

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The Project Gutenberg EBook of Die Weise von Liebe und Tod des Cornets
Christoph Rilke, by Rainer Maria Rilke
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Christoph Rilke, by Rainer Maria Rilke
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Title: Die Weise von Liebe und Tod des Cor
Title: Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke
Author: Rainer Maria Rilke
Release Date: December 26, 2007 [EBook #24043]
Release Date: December 26, 2007 [EBook #24043]
Language: German
Character set encoding: ISO
Character set encoding: ISO-8859-1
*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE WEISE VON LIEBE UND TOD ***
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Produced by Norbert H. Langkau, Markus Brenner and the
Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
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Die Weise
von Liebe und Tod des Cornets
Christoph Rilke
von Liebe und Tod des Cornets
Christoph Rilke
von
Rainer Maria Rilke
Im Insel-Verlag zu Leipzig
Geschrieben 1899
[5]»... den 24. November 1663 wurde Otto von Rilke / auf Langenau / Gränitz und Ziegra / zu
Linda mit seines in Ungarn gefallenen Bruders Christoph hinterlassenem Anteile
»... den 24. November 1663 wurde Otto von Rilke / auf Langenau / Gränitz und Ziegra / zu
Linda mit seines in Ungarn gefallenen Bruders Christoph hinterlassenem Anteile
»... den 24. November 1663 wurde Otto von Rilke / auf Langenau / Gränitz und Ziegra / zu
Linda mit seines in Ungarn gefallenen Bruders Christoph hinterlassenem Anteile am Gute
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Linda beliehen; doch mußte er einen Revers ausstellen / nach welchem die Lehensreichung
null und nichtig sein sollte / im Falle sein Bruder Christoph (der nach beigebrachtem
Totenschein als Cornet in der Kompagnie des Freiherrn von Pirovano des kaiserl. österr.
Heysterschen Regiments zu Roß .... verstorben war) zurückkehrt ...«
[7]Reiten, reiten, reiten, durch den Tag, durch die Nacht, durch den Tag.
Reiten, reiten, reiten.
Und der Mut ist so müde geworden und die Sehnsucht so groß. Es gibt keine Berge mehr,
kaum einen Baum. Nichts wagt aufzustehen. Fremde Hütten hocken durstig an versumpften
Brunnen. Nirgends ein Turm. Und immer das gleiche Bild. Man hat zwei Augen zuviel. Nur
in der Nacht manchmal glaubt man den Weg zu kennen. Vielleicht kehren wir nächtens
immer wieder das Stück zurück, das wir in der fremden Sonne mühsam gewonnen haben? Es
kann sein. Die Sonne ist schwer, wie bei uns tief im Sommer. Aber wir haben im Sommer
Abschied genommen. Die Kleider der Frauen leuchteten lang aus dem Grün. Und nun reiten
wir lang. Es muß also Herbst sein. Wenigstens dort, wo traurige Frauen von uns wissen.
[8]Der von Langenau rückt im Sattel und sagt: »Herr Marquis ...«
Sein Nachbar, der kleine feine Franzose, hat erst drei Tage lang gesprochen und gelacht. Jetzt
weiß er nichts mehr. Er ist wie ein Kind, das schlafen möchte. Staub bleibt auf seinem feinen
weißen Spitzenkragen liegen; er merkt es nicht. Er wird langsam welk in seinem samtenen
Sattel.
Aber der von Langenau lächelt und sagt: »Ihr habt seltsame Augen, Herr Marquis. Gewiß seht
Ihr Eurer Mutter ähnlich –«
Da blüht der Kleine noch einmal auf und stäubt seinen Kragen ab und ist wie neu.
[9]Jemand erzählt von seiner Mutter. Ein Deutscher offenbar. Laut und langsam setzt er seine
Worte. Wie ein Mädchen, das Blumen bindet, nachdenklich Blume um Blume probt und noch
nicht weiß, was aus dem Ganzen wird –: so fügt er seine Worte. Zu Lust? Zu Leide? Alle
lauschen. Sogar das Spucken hört auf. Denn es sind lauter Herren, die wissen, was sich
gehört. Und wer das Deutsche nicht kann in dem Haufen, der versteht es auf einmal, fühlt
einzelne Worte: »Abends« ... »Klein war ...«
[10]Da sind alle einander nah, diese Herren, die aus Frankreich kommen und aus Burgund,
aus den Niederlanden, aus Kärntens Tälern, von den böhmischen Burgen und vom Kaiser
Leopold. Denn was der Eine erzählt, das haben auch sie erfahren und gerade so. Als ob es nur
EINE Mutter gäbe ...
[11]So reitet man in den Abend hinein, in irgend einen Abend. Man schweigt wieder, aber
man hat die lichten Worte mit. Da hebt der Marquis den Helm ab. Seine dunklen Haare sind
weich und, wie er das Haupt senkt, dehnen sie sich frauenhaft auf seinem Nacken. Jetzt
erkennt auch der von Langenau: Fern ragt etwas in den Glanz hinein, etwas schlankes,
dunkles. Eine einsame Säule, halbverfallen. Und wie sie lange vorüber sind, später, fällt ihm
ein, daß das eine Madonna war.
[12]Wachtfeuer. Man sitzt rundumher und wartet. Wartet, daß einer singt. Aber man ist so
müd. Das rote Licht ist schwer. Es liegt auf den staubigen Schuhn. Es kriecht bis an die
Kniee, es schaut in die gefalteten Hände hinein. Es hat keine Flügel. Die Gesichter sind
dunkel. Dennoch leuchten eine Weile die Augen des kleinen Franzosen mit eigenem Licht. Er
hat eine kleine Rose geküßt, und nun darf sie weiterwelken an seiner Brust. Der von
Langenau hat es gesehen, weil er nicht schlafen kann. Er denkt: ich habe keine Rose, keine.
Dann singt er. Und das ist ein altes trauriges Lied, das zu Hause die Mädchen auf den Feldern
singen, im Herbst, wenn die Ernten zu Ende gehen.
[13]Sagt der kleine Marquis: »Ihr seid sehr jung, Herr?«
Und der von Langenau, in Trauer halb und halb im Trotz: »Achtzehn.« Dann schweigen sie.
Später fragt der Franzose: »Habt Ihr auch eine Braut daheim, Herr Junker?«
»Ihr?« gibt der von Langenau zurück.
»Sie ist blond wie Ihr.«
Und sie schweigen wieder, bis der Deutsche ruft: »Aber zum Teufel, warum sitzt Ihr denn
dann im Sattel und reitet durch dieses giftige Land den türkischen Hunden entgegen?«
Der Marquis lächelt. »Um wiederzukehren.«
Und der von Langenau wird traurig. Er denkt an ein blondes Mädchen, mit dem er spielte.
Wilde Spiele. Und er möchte nach Hause, für einen Augenblick nur, nur für so lange, als es
braucht, um die Worte zu sagen: »Magdalena, – daß ich immer SO WAR, verzeih!«
Wie – war? denkt der junge Herr. – Und sie sind weit.
[14]Einmal, am Morgen, ist ein Reiter da, und dann ein zweiter, vier, zehn. Ganz in Eisen,
groß. Dann tausend dahinter: Das Heer.
Man muß sich trennen.
»Kehrt glücklich heim, Herr Marquis. –«
»Die Maria schützt Euch, Herr Junker.«
Und sie können nicht voneinander. Sie sind Freunde auf einmal, Brüder. Haben einander
mehr zu vertrauen; denn sie wissen schon so viel Einer vom Andern. Sie zögern. Und ist Hast
und Hufschlag um sie. Da streift der Marquis den großen rechten Handschuh ab. Er holt die
kleine Rose hervor, nimmt ihr ein Blatt. Als ob man eine Hostie bricht.
»Das wird Euch beschirmen. Lebt wohl.« Der von Langenau staunt. Lange schaut er dem
Franzosen nach. Dann schiebt er das fremde Blatt unter den Waffenrock. Und es treibt auf
und ab auf den Wellen seines Herzens. Hornruf. Er reitet zum Heer, der Junker. Er lächelt
traurig: ihn schützt eine fremde Frau.
[15]Ein Tag durch den Troß. Flüche, Farben, Lachen –: davon blendet das Land. Kommen
bunte Buben gelaufen. Raufen und Rufen. Kommen Dirnen mit purpurnen Hüten im
flutenden Haar. Winken. Kommen Knechte, schwarzeisern wie wandernde Nacht. Packen die
Dirnen heiß, daß ihnen die Kleider zerreißen. Drücken sie an den Trommelrand. Und von der
wilderen Gegenwehr hastiger Hände werden die Trommeln wach, wie im Traum poltern sie,
poltern –. Und Abends halten sie ihm Laternen her, seltsame: Wein, leuchtend in eisernen
Hauben. Wein? Oder Blut? – Wer kanns unterscheiden?
[16]Endlich vor Spork. Neben seinem Schimmel ragt der Graf. Sein langes Haar hat den
Glanz des Eisens.
Der von Langenau hat nicht gefragt. Er erkennt den General, schwingt sich vom Roß und
verneigt sich in einer Wolke Staub. Er bringt ein Schreiben mit, das ihn empfehlen soll beim
Grafen. Der aber befiehlt: »Lies mir den Wisch.« Und seine Lippen haben sich nicht bewegt.
Er braucht sie nicht dazu; sind zum Fluchen gerade gut genug. Was drüber hinaus ist, redet
die Rechte. Punktum. Und man sieht es ihr an. Der junge Herr ist längst zu Ende. Er weiß
nicht mehr, wo er steht. Der Spork ist vor Allem. Sogar der Himmel ist fort. Da sagt Spork,
der große General:
»Cornet.«
Und das ist viel.
[17]Die Kompagnie liegt jenseits der Raab. Der von Langenau reitet hin, allein. Ebene.
Abend. Der Beschlag vorn am Sattel glänzt durch den Staub. Und dann steigt der Mond. Er
sieht es an seinen Händen.
Er träumt.
Aber da schreit es ihn an.
Schreit, schreit,
zerreißt ihm den Traum.
Das ist keine Eule. Barmherzigkeit:
der einzige Baum
schreit ihn an:
Mann!
Und er schaut: es bäumt sich. Es bäumt sich ein Leib
den Baum entlang, und ein junges Weib,
blutig und bloß,
fällt ihn an: Mach mich los!
Und er springt hinab in das schwarze Grün
und durchhaut die heißen Stricke;
und er sieht ihre Blicke glühn
und ihre Zähne beißen.
Lacht sie?
Ihn graust.
Und er sitzt schon zu Roß
und jagt in die Nacht. Blutige Schnüre fest in der Faust.
[18]Der von Langenau schreibt einen Brief, ganz in Gedanken. Langsam malt er mit großen,
ernsten, aufrechten Lettern:
»Meine gute Mutter,
seid stolz: Ich trage die Fahne,
seid ohne Sorge: Ich trage die Fahne,
habt mich lieb: Ich trage die Fahne –«
Dann steckt er den Brief zu sich in den Waffenrock, an die heimlichste Stelle, neben das
Rosenblatt. Und er denkt: er wird bald duften davon. Und denkt: vielleicht findet ihn einmal
Einer ... Und denkt: ....; Denn der Feind ist nah.
[19]Sie reiten über einen erschlagenen Bauern. Er hat die Augen weit offen und Etwas
spiegelt sich drin; kein Himmel. Später heulen Hunde. Es kommt also ein Dorf, endlich. Und
über den Hütten steigt steinern ein Schloß. Breit hält sich ihnen die Brücke hin. Groß wird das
Tor. Hoch willkommt das Horn. Horch: Poltern, Klirren und Hundegebell! Wiehern im Hof,
Hufschlag und Ruf.
[20]Rast! Gast sein einmal. Nicht immer selbst seine Wünsche bewirten mit kärglicher Kost.
Nicht immer feindlich nach allem fassen; einmal sich alles geschehen lassen und wissen: was
geschieht, ist gut. Auch der Mut muß einmal sich strecken und sich am Saume seidener
Decken in sich selber überschlagen. Nicht immer Soldat sein. Einmal die Locken offen tragen
und den weiten offenen Kragen und in seidenen Sesseln sitzen und bis in die Fingerspitzen so:
nach dem Bad sein. Und wieder erst lernen, was Frauen sind. Und wie die weißen tun und wie
die blauen sind; was für Hände sie haben, wie sie ihr Lachen singen, wenn blonde Knaben die
schönen Schalen bringen, von saftigen Früchten schwer.
[21]Als Mahl beganns. Und ist ein Fest geworden, kaum weiß man wie. Die hohen Flammen
flackten, die Stimmen schwirrten, wirre Lieder klirrten aus Glas und Glanz, und endlich aus
den reifgewordenen Takten: entsprang der Tanz. Und alle riß er hin. Das war ein
Wellenschlagen in den Sälen, ein Sich-Begegnen und ein Sich-Erwählen, ein
Abschiednehmen und ein Wiederfinden, ein Glanzgenießen und ein Lichterblinden und ein
Sich-Wiegen in den Sommerwinden, die in den Kleidern warmer Frauen sind.
Aus dunklem Wein und tausend Rosen rinnt die Stunde rauschend in den Traum der Nacht.
[22]Und Einer steht und staunt in diese Pracht. Und er ist so geartet, daß er wartet, ob er
erwacht. Denn nur im Schlafe schaut man solchen Staat und solche Feste solcher Frauen: ihre
kleinste Geste ist eine Falte, fallend in Brokat. Sie bauen Stunden auf aus silbernen
Gesprächen, und manchmal heben sie Hände so –, und du mußt meinen, daß sie irgendwo, wo
du nicht hinreichst, sanfte Rosen brächen, die du nicht siehst. Und da träumst du: Geschmückt
sein mit ihnen und anders beglückt sein und dir eine Krone verdienen für deine Stirne, die leer
ist.
[23]Einer, der weiße Seide trägt, erkennt, daß er nicht erwachen kann; denn er ist wach und
verwirrt von Wirklichkeit. So flieht er bange in den Traum und steht im Park, einsam im
schwarzen Park. Und das Fest ist fern. Und das Licht lügt. Und die Nacht ist nahe um ihn und
kühl. Und er fragt eine Frau, die sich zu ihm neigt:
»Bist Du die Nacht?«
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