Brentano, Clemens - Maerhen von dem Mytrenfraeulin, Das.txt

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Das M�rchen von dem Myrtenfr�ulein

Clemens Brentano




Im sandigen Lande, wo nicht viel Gr�nes w�chst, wohnten einige Meilen
von der prozellanenen Hauptstadt, wo der Prinz Wetschwuth residierte,
ein T�pfer und seine Frau mitten auf ihrem Tonfeld neben ihrem
T�pferofen, beide ohne Kinder, einsam und allein.  Das Land war
ringsum so flach wie ein See, kein Baum und Busch war zu sehen, und es
war gar betr�bt und langweilig.  T�glich beteten die guten Leute zum
Himmel, er m�ge ihnen doch ein Kind bescheren, damit sie eine
Unterhaltung h�tten, aber der Himmel erh�rte ihre W�nsche nicht.  Der
T�pfer verzierte alle seine Gef��e mit sch�nen Engelsk�pfen, und die
T�pferin tr�umte alle Nacht von gr�nen Wiesen und anmutigen Geb�schen
und B�umen, bei welchen Kinder spielten; denn wonach das Herz sich
sehnt, das hat man immer vor Augen.

Einstens hatte der T�pfer seiner Frau zwei sch�ne Werke auf ihrem
Geburtstag verfertigt, eine wundersch�ne Wiege von dem wei�esten Ton,
ganz mit goldenen Engelsk�pfen und Rosen verziert, und ein gro�es
Gartengef�� von rotem Ton, rings mit bunten Schmetterlingen und Blumen
bemalt.  Sie machte sich ein Bettchen in die Wiege und f�llte das
Gartengef�� mit der besten Erde, die sie selbst stundenweit in ihrer
Sch�rze dazu herbeitrug, und so stellte sie die beiden Geschenke neben
ihre Schlafstelle, in best�ndiger Hoffnung, der Himmel werde ihr ihre
Bitte gew�hren; und so betete sie auch einst abends von ganzer Seele:

Herr, ich flehe auf den Knien,
Schenke mir ein liebes Kind,
Fromm will ich es auferziehen:
Ists ein M�gdlein, da� es spinnt
Einen klaren reinen Faden
Und dabei h�bsch singt und betet;
Ists ein Sohn durch deine Gnaden,
Da� er kluge Dinge redet
Und ein Mann wird treu von Worten,
Stark von Willen, k�hn von Tat,
Der geehrt wird aller Orten,
Wie im Kampfe, so im Rat.
Herr! bereitet ist die Wiege,
Gib, da� mir ein Kind drin liege!
Ach, und sollte es nicht sein,
Gib mir doch nur eine Wonne,
W�rs auch nur ein B�umelein,
das ich in der lieben Sonne
K�nnte ziehen, k�nnte pflegen,
Da� ich mich mit meinem Gatten
Einst im selbsterzognen Schatten
Unter ihm ins Grab k�nnt legen.


So betete die gute Frau unter Tr�nen und ging zu Bett.  In der Nacht
war ein schweres Gewitter, es donnerte und blitzte, und einmal fuhr
ein heller Glanz durch die Schlafkammer.  Am andern Morgen war das
sch�nste Wetter, ein k�hler Wind wehte durch das offene Fenster, und
die gute T�pferin lag in einem s��en Traum, als sitze sie unter einem
sch�nen Myrtenbaum bei ihrem lieben Manne.  Da s�uselte das Laub um
sie und sie erwachte, und siehe da! ein frisches junges Myrtenreis lag
neben ihr auf dem Kopfkissen und spielte mit seinen zarten im Winde
bewegten Bl�ttern um ihre Wangen.  Da weckte sie mit gro�en Freuden
ihren Mann, und zeigte es ihm, und sie dankten beide Gott auf ihren
Knien, da� er ihnen doch etwas Lebendiges geschenkt hatte, das sie
k�nnten gr�nen und bl�hen sehen.  Sie pflanzten das Myrtenreis mit der
gr��ten Sorgfalt in das sch�ne Gartengef��, und es war t�glich ihr
liebstes Gesch�ft, das junge St�mmchen zu begie�en und in der Sonne zu
setzen und vor b�sem Tau und rauhen Winden zu sch�tzen.  Der
Myrtenreis wuchs zusehends unter ihren H�nden und duftete ihnen Fried
und Freud ins Herz.

Da kam einstens der Landesherr, Prinz Wetschwuth, in diese Gegend mit
einigen Gelehrten, um neue Porzellanerde zu entdecken; denn es wurden
in seiner Hauptstadt Porzellania so viele H�user davon gebaut, da�
diese Erde in der N�he der Stadt selten geworden war.  Da er in die
Wohnung des T�pfers eintrat, ihn um seinen Rat zu fragen, ward er bei
dem Anblick des Myrtenb�umchens so durch dessen Sch�nheit hingerissen,
da� er alles andere verga� und in lauter Verwunderung ausrief: "O wie
lieblich, wie reizend ist diese Myrte!  Ihr Anblick hat f�r mein Herz
etwas ungemein Erquickendes, ich m�chte immer in der N�he dieses
Baumes leben--nein, ich kann ihn nicht entbehren, ich mu� ihn besitzen,
und m��te ich ihn mit einem Auge erkaufen."  Nach diesem Ausruf
fragte er sogleich den T�pfer und seine Frau, was sie f�r die Myrte
verlangten.  Diese guten Leute erkl�rten auf die bescheidenste Weise,
da� sie den Baum nicht verkaufen wollten, und da� er das Liebste sei,
was sie auf Erden h�tten.  "Ach," sagte die T�pferin, "ich k�nnte
nicht leben, wenn ich meine Myrte nicht vor mir s�he; ja sie ist mir
so lieb und wert, als w�re sie mein Kind, und kein K�nigreich n�hme
ich f�r diese meine Myrte."  Da der Prinz Wetschwuth dies h�rte, ward
er sehr traurig und begab sich nach seinem Schlosse zur�ck.  Seine
Sehnsucht nach der Myrte ward so gro�, da� er in eine Krankheit fiel
und das ganze Land um ihn bek�mmert wurde.  Da kamen Abgesandte zu dem
T�pfer und seiner Frau, und forderten sie auf, die Myrte dem Prinzen
zu �berlassen, damit er nicht vor Sehnsucht sterben m�chte.  Nach
langen Unterhandlungen sagte die Frau: "Wenn er die Myrte nicht hat,
so mu� er sterben, und wenn wir die Myrte nicht haben, so k�nnen wir
nicht leben; will der Prinz nun die Myrte haben, so mu� er uns auch
mitnehmen, wir wollen sie ihm �berbringen und ihn anflehen, da� er uns
als treue Diener in sein Schlo� aufnehme, damit wir die geliebte Myrte
dann und wann sehen und uns an ihr erfreuen k�nnen."  Das waren die
Abgesandten zufrieden, sie schickten gleich einen Reiter in die Stadt
mit der frohen Nachricht, die Myrte werde ankommen, der Prinz sollte
Mut fassen.  Nun stellte der T�pfer das Gef�� mit der Myrte auf eine
Tragbahre, �ber welche die Frau ihre sch�nsten seidenen T�cher
gebreitet hatte, und sie trugen beide, nachdem sie ihre H�tte
verschlossen hatten, den geliebten Baum nach der Stadt, wohin sie von
den Abgesandten begleitet wurden.  Von der Stadt kam ihnen der Prinz
selbst in einem Wagen entgegen und hatte ein goldenes Gie�k�nnchen in
der Hand, womit er die geliebte Myrte bego�, bei deren Anblick er sich
sichtbar erholte.  Vier wei�gekleidete, mit Rosen geschm�ckte
Jungfrauen kamen mit einem rotseidenen Traghimmel, unter welchem die
Myrte nach dem Schlo� getragen wurde.  Kinder streuten Blumen, und
alles Volk war froh und warf die M�tzen in die H�he.  Nur neun
Fr�ulein in der Stadt waren nicht bei der allgemeinen Freude zugegen,
denn sie w�nschten, da� die Myrte verdorren m�chte, weil der Prinz,
ehe er die Myrte gesehen hatte, sie oft besuchte und jede von ihnen
gehofft hatte, einst Beherrscherin der Stadt Porzellania zu werden.
Seit aber von der Myrte die Rede war, hatte er sich nicht mehr um sie
bek�mmert; drum waren sie auf den unschuldigen Baum so erbittert, da�
sich an diesem Freudentage keine von ihnen erblicken lie�.  Der Prinz
lie� die Myrte an das Fenster seiner Stube stellen und gab dem T�pfer
und seiner Frau eine Wohnung im Schlo�garten, aus deren Fenster sie
die Myrte immer erblicken konnten, womit die guten Leute dann auch
wohl zufrieden waren.

Der Prinz war bald wieder ganz gesund; er pflegte den Baum mit einer
unbeschreiblichen Liebe und Sorgfalt; auch wuchs dieser und breitete
sich aus zu aller Freude.  Einstens setzte sich der Prinz abends neben
dem Baume auf sein Ruhebett.  Alles war ruhig im Schlo�, und er
entschlummerte in tiefen Gedanken.  Da nun die Nacht alles bedeckt
hatte, h�rte er ein wunderbares S�useln in seinem Baum und erwachte
und lauschte; da vernahm er eine leise Bewegung in seiner Stube herum,
und ein s��er Duft breitete sich umher.  Er war stille, stille und
lauschte immerfort; endlich, da es ihm wieder so wunderbar in der
Myrte s�uselte, begann er zu singen:

Sag, warum dies s��e Rauschen,
Meine wundersch�ne Myrte!
O mein Baum, f�r den ich so gl�he?


Da sang eine liebliche leise Stime wider:

Dank will ich f�r Freundschaft tauschen
Meinem wunderguten Wirte,
Meinem Herrn, f�r den ich bl�he!


Da war der Prinz �ber die Stimme so entz�ckt, da� es nicht
auszusprechen ist; aber bald ward seine Freude noch viel gr��er, denn
er bemerkte, da� sich jemand auf den Schemel zu seinen F��en setzte,
und da er die Hand darnach ausstreckte, ergriff eine zarte Hand die
seinige und f�hrte sie an die Lippen eines Mundes, welcher sprach:
"Mein teurer Herr und Prinz! frage nicht, wer ich bin; erlaube mir nur
dann und wann in der Stille der Nacht zu deinen F��en zu sitzen und
dir zu danken f�r die treue Pflege, welche du mir in der Myrte
bewiesen, denn ich bin die Bewohnerin dieser Myrte; aber mein Dank f�r
deine Zuneigung ist so gewachsen, da� er keinen Raum mehr in diesem
Baume hatte, und so hat es mir der Himmel verg�nnt, in menschlichen
Gestalt dir manchmal nahezusein."  Der Prinz war entz�ckt �ber diese
Worte und pries sich unendlich gl�cklich durch dies Geschenk der
G�tter.  Sie unterhielten sich einige Stunden, und sie sprach so weise
und klug, da� er vor Begierde brannte, sie von Angesicht zu Angesicht
zu sehen.  Das Myrtenfr�ulein aber sagte zu ihm: "La� mich erst ein
kleines Lied singen, dann kannst du mich sehen", und sie sang:

S�usle, liebe Myrte!
Wie still ists in der Welt,
Der Mond, der Sternenhirte
Auf klarem Himmelsfeld,
Treibt schon die Wolkenschafe
Zum Born des Lichtes hin,
Schlaf, mein Freund, o schlafe,
Bis ich wieder bei dir bin.


Dazu s�uselte die Myrte, und die Wolken trieben so langsam am Himmel
hin, und die Springbrunnen pl�tscherten so leise im Garten, und der
Gesang war so sanft, da� der Prinz einschlief, und als er kaum nickte,
erhob sich das Myrtenfr�ulein leise, leise vom Schemel und begab sich
wieder in die Myrte.

Als der Prinz am Morgen erwachte, erblickte er den Schemel leer zu
seinen F��en, und er wu�te nicht, ob das Myrtenfr�ulein wirklich bei
ihm gewesen war, oder ob er nur getr�umt habe; aber da er das B�umchen
ganz mit Bl�ten �bers�t sah, die in der Nacht aufgegangen waren, ward
er der Erscheinung immer gewisser.  Nie ward die Nacht so sehns�chtig
erwartet als von ihm; er setzte sich schon gegen Abend auf sein
Ruhebett und harrte.  Endlich war die Sonne hinunter, es d�mmerte, es
ward Nacht.  Die Myrte s�uselte, und das Myrtenfr�ulein sa� zu seinen
F��en und erz�hlte ihm so sch�ne Sachen, da� er ...
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