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Marktplatz - Deutsche Sprache in der Wirtschaft
Sendemanuskript
Folge 12:
Joint-Venture
Thema:
Ein deutsch-russisches Joint Venture
Autorin:
Petra Laube
Redaktion:
Thomas Kirschning
Die Personen:
Geschäftsleute: A, B und C
Sprecher
Sprecherin
Russen 1 und 2
Stewardess
Im O-Ton:
Dr.Rolf Haag, Krohne-Anlagen-Export
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A:
Es hat keinen Sinn mehr! Es tut sich einfach nichts! Beim Wasserwirtschaft-Ministerium
herrscht absolute Funkstille. Seit Wochen! Wenn wir nicht bald konkrete Pläne mit den
Russen machen, können wir unser Geschäft endgültig abschreiben.
B:
Sachte, sachte. Du weißt doch selbst, dass da alles drunter und drüber geht. Pe-res-troi-ka.
Das bedeutet eben Umwälzung. Da läuft nicht alles nach unseren Maßstäben.
A:
Ja, aber wie lange noch? Wir können doch nicht ewig warten. Die schicken ständig nur
irgendwelche Pläne, aber ansonsten passiert nichts. Das rechnet sich einfach nicht mehr für
uns. Wir müssen endlich mit der Produktion beginnen.
C:
Na, Katerstimmung? Ich hab' hier was für Euch - eine Nachricht aus Moskau. Die wird euch
bestimmt aufmuntern.
A:
Nun sag' schon, was gibt´s?
C:
Es gibt kein Wasserwirtschaftsministerium mehr in Moskau.
B und A:
Was? Kein Wasserwirtschaftsministerium mehr?
C:
Genau. Kein Wasserwirtschaftsministerium.
A:
Na ja. Das war´s dann ja wohl endgültig. Aus der Traum vom deutsch-russischen Joint
Venture.
B:
Verdammter Mist.
Sprecher:
Es war einmal ein Huhn. Das traf ein Schwein. Das Huhn sprach zum Schwein: "Ich hab´ eine
tolle Idee. Wir machen ein Joint Venture auf." "Und wie geht das?" fragte das Schwein. "Wir
verkaufen Spiegeleier mit gebratenem Schinken." Das Schwein fand die Idee grundsätzlich
nicht schlecht, überlegte eine Weile und je länger es überlegte, desto merkwürdiger kam
ihm der Vorschlag des Huhns vor. Schließlich sagte das Schwein nachdenklich: "Für dich ist
das ja kein Problem, du legst täglich Eier. Aber wie soll ich das mit meinem Speck machen?"
Und das Huhn antwortete: "Ja, das ist ja gerade das besondere an einem Joint Venture. Einer
geht immer drauf."
Sprecherin:
Das Joint Venture ist eine Unternehmensform, die insbesondere bei internationalen
Geschäftsbeziehungen zwischen ausländischen Partnern beliebt ist. Ins Deutsche übersetzt
heißt Joint Venture "gemeinsames Wagnis". Das bedeutet, zwei Firmen gründen ein
gemeinsames Unternehmen, das sogenannte Joint Venture, um zusammen ihre Ziele zu
erreichen. Die beiden Partner wollen voneinander profitieren. Jeder hat etwas, was der
andere nicht hat. Gemeinsam sind sie dann den Anforderungen gewachsen. Zu einem Joint
Venture gehören zwangsläufig immer zwei Partner - zum Beispiel das Huhn und das Schwein
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oder aber wie bei den Geschäftsleuten, die wir zu Beginn hörten, deutsche und russische
Unternehmen oder Organisationen. Die beiden Partner gründen das
Gemeinschaftsunternehmen, indem sie einen Vertrag aushandeln, der die
Beteiligungsverhältnisse festlegt. Bei einer Beteiligung mit jeweils fünfzig Prozent kommen
Gewinne und Verluste des Joint Ventures auf beide Partner auch zu gleichen Teilen zu. Läuft
das Geschäft gut, wird jeder von ihnen versuchen, seine Beteiligung aufzustocken, um mehr
Einfluss auf die Geschäftspolitik nehmen zu können - und natürlich, um mehr zu verdienen.
Das kann schließlich dazu führen, dass einer die gesamten Anteile des anderen aufkauft und
ihn "schluckt".
Fällt aber bei einem Joint Venture einer der Partner plötzlich weg, dann ist die Sache vorbei -
wie in einer Ehe. Es folgt die Scheidung, die im Geschäftsleben sogenannte Liquidation, und
dann trennt man sich, versucht sein Glück mit jemand anderem. In unserem Fall ist ein Joint
Venture gescheitert, weil der Partner, das russische Wasserwirtschaftsministerium, plötzlich
nicht mehr da war.
Sprecher:
Genau so endete der erste Versuch einer Joint Venture Gründung, des deutschen Mess- und
Regeltechnik-Herstellers, der Firma Krohne aus Duisburg. 1987 gründete sie ihr erstes
deutsch-russisches Joint Venture. Mit dem Gemeinschaftsunternehmen betraut wurde die
Krohne-Tochterfirma, Krohne-Anlagen-Export, kurz Kanex.
Rolf Haag (Geschäftsführer von Kanex) :
Also unsere Story fängt vor der Perestroika an, und das waren noch die goldenen Zeiten,
damals im Reich der ehemaligen Sowjetunion. Damals war die Wirtschaft noch nicht so
zusammengebrochen und - ja eigentlich zerschlagen muss man heute schon sagen, wie es
heute der Fall ist. Jeder war noch optimistisch, alles läuft prima, alles kann nur besser
werden. Und entsprechend hat man auch geplant. Und die Leute waren optimistisch, die
Wirtschaft war optimistisch, der Staat war optimistisch. Alles war bestens guter Laune und
hat dann auch mit Projekten um sich geschlagen, da können Sie heute nur von träumen.
Sprecher:
Die Firma Krohne stellt seit 75 Jahren Geräte der Mess- und Regeltechnik her. Auf nahezu
allen Kontinenten fertigt und vertreibt diese deutsche Firma ihre Produkte. In Russland will
Krohne Ultraschall-Durchfluss-Messgeräte herstellen, wie man sie braucht, um beispielsweise
zu messen, wie viel Flüssigkeit sich in einem Tank befindet oder wie viel Öl durch eine
Pipeline fließt. Die Deutschen hatten zwar das entsprechende Know-How, es fehlten aber die
Fachleute vor Ort. Sie brauchten also einen Partner in der ehemaligen Sowjetunion, der sich
mit den Vertriebsstrukturen auskennt, der weiß, wie man zuverlässige Lieferanten und
Kunden findet. Das Moskauer Wasserwirtschaftsministerium war - zunächst - dieser gesuchte
Partner. Rolf Haag erinnert sich, dass anfangs noch alles ganz gut aussah, dann aber:
Rolf Haag:
Moskau war das Problem. Das zog sich unendlich lange hin. Man hatte dann ein Gebäude
ausgesucht, ein Gebäude, das früher einmal eine Berufsschule war, die dann stillgelegt
wurde. Die sollte umgebaut werden. Wir drängten dann darauf: Jetzt erteilt mal die
Unteraufträge, damit die Umbauten stattfinden können. Die ehemalige Turnhalle dieser
Berufsschule sollte als Fertigungshalle ausgebaut werden und so weiter und so fort. Ja, und
wir hörten und sahen nichts. Es tat sich gar nichts. Keine Unteraufträge, noch nicht einmal
Anfragen - überhaupt nichts. Es kamen nur immer tolle, tolle Geschäftspläne, die immer
toller wurden, je länger das dauerte.
Und dann hat man auf unser Drängen hin angefangen, Provisorien einzurichten, in
provisorisch angemieteten Fertigungshallen, was aber dann auch nicht funktioniert hat. So
stellte sich dann heraus, nach einer gewissen Zeit - Perestroika - es gab plötzlich keinen
Ansprechpartner mehr auf russischer Seite. Früher hatten wir ja das
Wasserwirtschaftsministerium - das gab es nicht mehr. Das wurde jetzt stolz umbenannt in
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eine Aktiengesellschaft, also pseudo-privatisiert, wenn Sie so wollen, denn wer wollte schon
Aktien dieses Ministeriums haben. Man hat damals eine ganze Reihe von Ministerien
zerschlagen und privatisiert sozusagen.
Jedenfalls war plötzlich der staatliche Hintergrund unseres Partners weg und damit auch
diese Pseudo-Garantie über 30 000 Stück Abnahme, die man unserem Joint Venture gegeben
hatte. Und auch der zweite russische Partner, das Kutschattow-Institut für Nuklear-Energie
war plötzlich nicht mehr liquide, unter anderem nach Tschernobyl war das Ansehen der
Nukleartechnik doch sehr, sehr stark gesunken. Das heißt, nach Perestroika war plötzlich der
russische Gesellschafter nicht mehr in der Lage, seine Investitionsverpflichtungen zu erfüllen.
Das waren drei Jahre bis wir dann den Entschluss gefasst haben, das Joint Venture zu
liquidieren.
Sprecher:
Drei Jahre also währte der erste Versuch, ein deutsch-russisches Joint Venture auf die Beine
zu stellen - und scheiterte dann. Die Probleme der Firma Krohne sind typisch. Nach einer
Untersuchung des russischen Statistikamtes Goskomstat gab es Anfang 1995 insgesamt
15.700 ausländisch-russische Joint Ventures. Davon hat aber nur etwa die Hälfte jemals eine
unternehmerische Tätigkeit aufgenommen. Der Rest bestand in der Hauptsache aus
Absichtserklärungen auf Papieren, die in irgendwelchen Schubladen verstaubten.
Sprecherin:
Die Lage sieht allgemein nicht gut aus: das Interesse ausländischer Investoren an der
Gründung von Joint Ventures in Russland wurde schwächer. Neue
Gemeinschaftsunternehmen wurden in den letzten Jahren kaum noch gegründet. Die
Investitionen aus dem Ausland fließen entsprechend spärlich. Goskomstat hat die
ausländischen Investitionen für 1996 auf nur zwei Milliarden US-Dollar geschätzt. Auch die
Russen selbst scheinen kein großes Vertrauen in ihre Wirtschaft zu haben. Sie ziehen es vor,
ihr Geld im Ausland anzulegen, anstatt es im eigenen Land zu investieren. Es wir geschätzt,
dass 20 bis 30 Milliarden US-Dollar jährlich als Fluchtgelder ins Ausland fließen.
Was Russland weiterhin attraktiv macht, sind die unermesslichen Rohstoffreserven des
Landes. Riesige Ölvorkommen und weit über fünfzig Prozent der Weltreserven an Nutzholz
sind nur einige der Superlative. Letztlich in diesen Bereichen bleibt das Interesse
ausländischer Geldgeber bestehen. Das schürt natürlich den Vorwurf, die Ausländer seien nur
an den Reichtümern des Landes interessiert.
Was Russland zudem interessant macht, ist die Größe des Landes und seiner Bevölkerung.
Russland ist ein riesiger Markt. Ausländische Investoren wollen sich dieses Nachfrage-
Potential natürlich nicht entgehen lassen. Sie wollen sich für ihre Produkte Käufer sichern -
die Millionen russischer Haushalte. Wer direkt in Russland produziert, spart zudem
Transportkosten und obendrein sind die Löhne in Russland niedrig.
A:
Ah, noch drei Stunden, dann sind wir in Samara: Ich kann´s kaum erwarten, soll ein
wunderschönes Stück Steppe sein, mit riesigen Ölvorkommen, Raumfahrt-Industrie - eine
reiche Gegend. Nee, aber mal ehrlich, jetzt geht´s richtig los. Wir haben ´ne Menge Material
im Koffer, die Samara-Regierung muss nur noch unterschreiben. Und dann ...
B:
Und dann haben wir hoffentlich den richtigen Partner für unser Joint Venture gefunden.
Nicht, dass die auch wieder abspringen. Mensch, wenn du dir überlegst, das ist unser zweiter
Versuch. Erst vor ein paar Monaten ist die Sache mit dem Moskauer Joint Venture geplatzt.
A:
Na ja, was lange währt, wird endlich gut. Sowieso sind aller guten Dinge drei.
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B:
Was erzähltst du den da. Drei Versuche werden wir ja wohl nicht brauchen, um hier endlich
alles klar zu machen.
A:
Ach was, wir müssen jetzt einen kühlen Kopf bewahren. Wir müssen nur vor allem darauf
achten, dass im Vertrag ganz klar die 50 zu 50-Beteiligung herauskommt. Sonst drängen die
uns irgendwann mal 'raus.
B:
Aber anders herum - wenn wir mehr kriegen können, dann nehmen wir auch mehr.
A:
Damit warten wir mal, bis wir wissen, wie die Sache läuft.
Stewardess:
Guten Tag. Was darf ich Ihnen zu trinken anbieten?
A zu B:
Ja, was sollen wir trinken?
B:
Äh, 'ne Cola bitte.
A:
Mensch, 'ne Cola! Kollege, wir sind auf dem Weg zu einem goldenen Geschäft! Sekt!
Champagner, bitte!
Rolf Haag:
So, dann ging das gleiche Spielchen los. Wir haben einen Vertrag geschlossen. Gesellschafter
waren damals die Regierung des Samara-Gebietes, ein Institut, was sich unter anderem mit
Wasserwirtschaft beschäftigte - und zwar im Bereich Mittel-Wolga - und eben Krohne. Ja,
und dann ging Perestroika weiter - und es haben sich die Gesetze geändert. Eines dieser
neuen Gesetze lautete, dass lokale Regierungen sich nicht mehr an ausländischen Firmen
oder Joint Ventures beteiligen dürfen. Das heißt, von diesem Zeitpunkt ab war die
Beteiligung der Regierung des Samara Gebietes mit den ganzen Abnahmeverpflichtungen
für dieses Gebiet, das dahinter stand, waren obsolet. Und die Regierung des Samara-Gebietes
war plötzlich illegal an einem Joint Venture beteiligt. So, das hat zu persönlichen
Schwierigkeiten der Ansprechpartner dort geführt. Es hat aber im Joint Venture natürlich
dazu geführt, dass plötzlich die Basis nicht mehr da war. Hinzu kam, Perestroika ist
fortgeschritten, dass auch das Institut, was die Gebäude eingebracht hatte, plötzlich nicht
mehr über liquide Mittel verfügte und auch keine Renovierungskosten und Umbaukosten
mehr aufbringen konnte, um die Fertigung dort in einen Zustand oder die Gebäude in einen
Zustand zu versetzten, wo wir hätten fertigen können.
Dann ging das Spiel wieder von vorne los: Liquidation.
Sprecher:
Wieder einmal haben politische Umstrukturierungen das Projekt zum Scheitern gebracht.
Diese Probleme sind in Russland noch immer aktuell. Zudem gibt es unzählige andere
Investitionshindernisse. Da ist zum Beispiel die Steuer auf sogenannte überhöhte Löhne, die
aber in Zukunft wegfallen soll. Zum anderen behindern Importzölle und bürokratische
Zertifizierungsvorschriften den Handel. Transportprobleme wegen vollkommen veralteter
Infrastruktur gehören zur Tagesordnung. Aber auch Korruption und Schutzgelderpressung
machen Kaufleuten das Leben schwer, auch wenn darüber meist nur hinter vorgehaltener
Hand berichtet wird.
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