Duerrenmatt, Friedrich - Der Hund - Der Tunnel - Die Panne.pdf

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Der Hund - Der Tunnel - Die Panne
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Friedrich Dürrenmatt
Der Hund
Der Tunnel
Die Panne
Erzählungen
Diogenes
Diogenes Taschenbuch 250/20
Friedrich Dürrenmatt
Werkausgabe in dreißig Bänden
Herausgegeben
in Zusammenarbeit
mit dem Autor
Band 20
Umschlag: Detail aus ›Flucht I‹ von Friedrich Dürrenmatt. Der Hund
erschien erstmals 1952 im Sammelband ›Die Stadt. Prosa I – IV‹ im Verlag
der Arche, Zürich. Copyright © 1952, 1980 by Peter Schifferli, Verlags AG
›Die Arche«, Zürich.
Der Tunnel erschien erstmals 1952 im Sammelband ›Die Stadt. Prosa I-IV‹
im Verlag der Arche, Zürich. Die vorliegende bearbeitete Fassung von 1978
erschien erstmals 1978 im »Friedrich Dürrenmatt Lesebuch« im Verlag der
Arche, Zürich. Copyright © 1952, 1978, 1980 by Peter Schifferli, Verlags
AG ›Die Arche«, Zürich. Die Panne erschien erstmals 1956 im Verlag der
Arche, Zürich. Copyright © 1956, 1980 by Peter Schifferli, Verlags AG
›Die Arche«, Zürich.
Die Texte wurden für diese Ausgabe durchgesehen und korrigiert.
Redaktion: Thomas Bodmer.
Berechtigte Lizenzausgabe mit freundlicher Genehmigung
der Verlags AG ›Die Arche«, Zürich
Alle Rechte an dieser Edition vorbehalten
Diogenes Verlag AG Zürich, 1980
120/80/8/1
ISBN 3 257 20850 2
Der Hund
Eine Erzählung
1951
Schon in den ersten Tagen, nachdem ich in die Stadt
gekommen war, fand ich auf dem kleinen Platz vor dem
Rathaus einige Menschen, die sich um einen zerlumpten Mann
scharten, der mit lauter Stimme aus der Bibel las. Den Hund,
den er bei sich hatte und der zu seinen Füßen lag, bemerkte ich
erst später, erstaunt darüber, daß ein so riesiges und
entsetzliches Tier meine Aufmerksamkeit nicht auf der Stelle
erregt hatte, denn es war von tiefschwarzer Farbe und glattem,
schweißbedecktem Fell. Seine Augen waren schwefelgelb, und
wie es das riesige Maul öffnete, bemerkte ich mit Grauen
Zähne von ebenderselben Farbe, und seine Gestalt war so, daß
ich sie mit keinem der lebenden Wesen vergleichen konnte. Ich
ertrug den Anblick des gewaltigen Tieres nicht länger und
wandte meine Augen wieder dem Prediger zu, der von
gedrungener Gestalt war, und dessen Kleider in Fetzen an
seinem Leibe hingen: doch war seine Haut, die durch die Risse
schimmerte, sauber, wie denn auch das zerrissene Gewand
äußerst reinlich war: Kostbar jedoch sah die Bibel aus, auf
deren Einband Gold und Diamanten funkelten. Die Stimme des
Mannes war ruhig und fest. Seine Worte zeichneten sich durch
eine außergewöhnliche Klarheit aus, so daß seine Rede einfach
und sicher wirkte, auch fiel es mir auf, daß er nie Gleichnisse
brauchte. Es war eine ruhige und unfanatische Auslegung der
Bibel, die er gab, und wenn seine Worte doch nicht
überzeugten, so rührte dies nur von der Erscheinung des
Hundes her, der unbeweglich zu seinen Füßen lag und die
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Zuhörer mit seinen gelben Augen betrachtete. So war es denn
vorerst die seltsame Verbindung des Predigers mit seinem Tier,
die mich gefangennahm und mich verführte, den Mann immer
wieder aufzuspüren. Er predigte jeden Tag auf den Plätzen der
Stadt und in den Gassen, doch war es nicht leicht, ihn
aufzufinden, obwohl er seine Tätigkeit bis spät in die Nacht
ausübte, denn die Stadt war verwirrend, obgleich sie klar und
einfach angelegt war. Auch mußte er seine Wohnung zu
verschiedenen Zeiten verlassen und seiner Tätigkeit nie einen
Plan zu Grunde legen, denn nie ließ sich in seinem Auftreten
eine Regel feststellen. Manchmal redete er ununterbrochen den
ganzen Tag auf demselben Platz, manchmal aber wechselte er
den Ort jede Viertelstunde. Er war immer von seinem Hund
begleitet, der neben ihm schritt, wenn er durch die Straßen
ging, schwarz und riesig, und der sich schwer auf den Boden
legte, wenn der Mann zu predigen anfing. Er hatte nie viele
Zuhörer und meistens stand er allein, doch konnte ich
beobachten, daß ihn dies nicht verwirrte, auch verließ er den
Platz nicht, sondern redete weiter. Oft sah ich, daß er mitten in
einer kleinen Gasse stillstand und mit lauter Stimme betete,
während nicht weit von ihm die Leute achtlos durch eine
breitere Gasse gingen. Da es mir jedoch nicht gelang, eine
sichere Methode zu finden, ihn aufzuspüren, und ich dies
immer dem Zufall überlassen mußte, versuchte ich nun, seine
Wohnung zu finden, doch vermochte mir niemand Auskunft zu
geben. Ich verfolgte ihn daher einmal den ganzen Tag, doch
mußte ich dies mehrere Tage wiederholen, denn er kam mir
immer wieder am Abend aus den Augen, weil ich bestrebt war,
mich vor ihm verborgen zu halten, damit er meine Absicht
nicht entdecke. Dann jedoch sah ich ihn endlich, spät in der
Nacht, in ein Haus einer Gasse treten, die nur von den
Reichsten der Stadt bewohnt wurde, wie ich wußte, was mich
denn auch in Erstaunen versetzte. Von nun an änderte ich ihm
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