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294554008 UNPDF
zAM zeitschrrft für Archäologie des Mittelarters, Beiheft 4/19g6, seite 405-424
Rheinland-verlag GmbH, t<.iin. rn Kommission bel o.. nraotr H"belt GmbH. Bonn
Zu op. LBnnNsvEnHArrNrssBN rN DER MTTTELALTERLT.HEN
ZusnuupnFASSUNG
Sraor urt 1200
von
Harry Kühnel, Krems
Der Zeirabschnitt um 1,2a0 war im Abend_
iand geprägt von einem tiefgreifenden Wandel,
der nichr zuletzt seine ljrsache im Investiturstreir
hatte. Die Menschen der abendländischen \7elt
begannen seit dieser geistigen und politischen
Auseinandersetzung an den bis dahin i- groß.r,
und ganzen unverändert geltenden Anscha,-rurrgen
zs. .zweifeln,,sie entdeckten Widersprüche und
fühlten sich verunsichert. ,,Neue ärrßere und
inner.e Erfahrungen führten zu Veränderungen
auf allen Gebieten des Lebens. Man hat deshalb
vom ,Aufgang' des modernen Europa in jenem
Jahrhundert, von der ,Renaissance, Äes n.phr_
hunderts gesprochen,,l. Ohne Zwejfel ,äß.r,
solche Bezeichnungen auf Kritik, trotzdem sind
Phänomene zu beobachten, die rechtfertigen, von
einer Umbruchszeit zu sprechen. Der A'ufbruch
der mitrelalterlichen Gesellschaft und die
Zunahme vertikaler und horizontaler Mobilität,
die Anerkennung der ,,Arbeit.. als neues ethisches
und religiöses Leitbiid durch die Kirche im Kon_
text mit dem wachsenden Individualismus ist eine
der Facettenz. Einer landschafts- und strukturver_
ändernden Intensivierung von Ackerbau
durch Pferd mit Kummetgeschirr u. a. m. _ sreht
eine Fülle von Innovariorren zr.r. Radonalisierung
des Handwerks zur Seite. Die rasche V.rb..irurrg
von Wassermühlen, die beginnende Venvendunf
von drehbaren Bockwind-.ihl.r, und die Anrl.en_
dung des Wasserrades im Eir.rrhütt..r*.r..,
sowie die Entwicklung des Stuckofens geben
ebenso wie die Erfindung des Trirnvebsiuhl.s
und _die Einführung des mechanischen Spinnens
d.urch d.ie .Erfindung des Spinnrad.r, A.rüß, , un
der Schaffung eines frühkapitalis,lr.h.i iVirt_
schaftssystems einher, waren doch Darlehen und
Kredite zur Abwicklung der Geschäfte unab_
dingbar. \flesentlichen -Anteij an der Zäsur d.er
Epoche um 12OO hat die religiös_phiiosophische
Betrachtung der Wissenschafislehre. Hl'rgo rron
Sr. Viktor hat im i2. Jahrhundeft die alteiintei_
lung der sieben artes liberales erweitert um das
Gebiet der mechanica. Diese spaitere er in sieben
mechanische Künste auf, zu denen die Veberei,
die Schmiede- und Bautechnik, ferner a;e Scniff_
fahrt, Ackerbau, Lebensmittelgewerbe, H.il_
kunde und Schauspielkunst gizähk *.r.a..r.
felderwirtschafr, schollenwendender pflug mit
festem Streichbrett, Transport schwerer i.rr..,
1 rff. Stürner, Natur und Gesellschaft im Denken des
I..!. . und _Spätmittelalters. Stuttgarter B.i;;; zlr
the Year 1200. In: The year 12OO: A Symposium 1N.* V..t
1.975) 10.
l. .K B_o_sla Eyopa im Aufbruch (München I98A) 298,291,
311j
- H Fuhrmann, Deutsche öeschichte im hohen Mit_
3 F. Klemm, Zur Kulturgeschichte der Technik (2. Aufl.
Y.:".1.". 1e82) 66, 6eff.;-_ H. K"ll.r,l;;r,'-dl"rr.rr.
telalter. Deutsche Geschichte, hrsg. von ;o..hi. i."r.lrr"r,
Bd. 2 (Göttrngen 1978) 39 ff.; -"A. f ö"r;"*li..f_,, O*
\X/irtschaftsgeschichte, Bd. 1 (München 19741(;;.' *"'
a*J.. Gimpel, Die industrielle Revolution J.. Mitt.l"lt.r,
(Zürich-München 1980) 35 ff .,51ff., 63.
Veltbild des mittelalterlichen Mensch.n lUlirr.h"n ilsO;
293 ff.
405
erner,,rndustriellen Revolution.. zu sprechen+.
Für den Handel, der überwieg.r,d ,, Wasser
abgewickelt wurde, war von eminenter Bedeu_
tung der Bau der hochbordigen, seegängigen
Segelschiffe mit Heckrud.., *J d.r..h j.rrr.r.,
die Manövrierfähigkeit des Schiffes berachtlich
erhöht und das kaufmännische Risiko g.r.rrkt
wurde. Die Intensivierung des Handels gi.rg -it
- Drei_
Geschichte und politik Bd. Z (Stuttgaä ozs| rc, I C.n.
T. adner, The Life of the Minde in th! Chr;rti"'n \trLrt ".or:.,d
294554008.002.png
Diese Aufwerrung der mechanischen Vissen-
schaften durch die Einbeziehung aller menschlich
Werk-Tätigen hat jene geistigen Voraussetzungen
geschaffen, die für die hochentwickelte Hand-
werkskultur des Spätmittelalters entscheidend
werden so11ten5. Nicht unerwähnt mögen die
Auswirkungen der Kreuzzige bieiben, denen
nach dem ersten religiösen Überschwang wegen
der vergeblichen Versuche, das Heilige Land zu
behaupten, eine Ernüchterung folgte, nicht
zuletzt auch deshalb, weil es außerhalb des
Abendlandes eine eigenständige Kulturweh, näm-
lich die der Muselmanen gab, die ,,das Diesseits
zweckmäßiger, reizvoller, freudiger zu gestahen"
wußten6. Mit Staunen wurde man so mancher
zivilisatorischer und wissenschaftlicher überle-
genheit gewahrT, und diese Erkenntnis führte
zunächst in den höheren sozialen Schichten des
Abendlandes sehr rasch zu erner Hebung der
materiellen Kultur8.
Viele der Zeitgenossen waren sich des Wan-
dels und Fortschritts durchaus bewußt. Der
anonyme Verfasser des Traktates De rebus Alsa-
ticis rihmt im 13. Jahrhundert den technischen
Fortschritt durch Verwendung eisenbeschlagener
Vagen, die Verbesserung der Handwerksgeräte
- ohne zu sagen, worin diese Verbesserung
bestand
- und die erstmalige Verwendung von
Beginn des 13. Jahrhundertslc. Dieser Fo::._-
verdrängte nach Ansicht von Guiot r-on l:-
Anfang des 13. Jahrhunderrs im milit-:::,:
Bereich den,,Rirter", dessen Stel1e d,l:;::
Armbrustschützen, den Minierer und In:;:-
eingenommen wurdel ..
Die vielseitigen und vielschichtigen -\.:.
der Epoche um 120012 lassen eine Auseina:;.:,
zung mit dem ,,Lebenszuschnitt und Lebe:..:
dard der hochmittelalterlichen städtischen G-,
schaft auf der Basis archäologischer Forsc:*.-
ergebnisse" als äußerst wünsche::.-
erscheinen, weil die interdisziplinäre lVlethc:.
Archäologie neue Erkenntnisse auf diifere :::,.
Fragesteilungen erwarten 1äßt.
Schon im 19. Jahrhundert sind ::--..-
Bestrebungen nachzuweisen, mit Hil::
Archäologie Aufschlüsse über die Vergan:. -
zu erhalten, insbesondere die von französ:s:. _
Wissenschaftlern entwickelte,,arch6olo:i.
moyen äge"t:. In der im 19. Jahrhundert .:!: -
nenen Grande Encyclop6die wurde die ,\:,-
logie in zwei Abschnitte geteilt, in die ..-\:;::
logie de l'art" und in die für unser Them:. ,-
schlußreiche ,,Arch6ologie des usages ri *i::
siles", die sich dem Studium der Bekleiduri. r:-
Hausgeräte und des Privarlebens der \ls:,- - -
schlechthin widmen solltela. In österreic:: ,,.-:
Eduard Freiherr von Sacken (1825-1S S j : -
Archäologe im französischen Sinne des \\.:::..
1858 und 1878 erschien der ,,Archäolo::,,.-.
Wegweiser durch Niederösterreich". n-- : -
jeweils eine systematische Erfassung und \-e::--..-
sung vorgenommen worden ist1s. In Deutsc::_. _
hat Moriz Heyne (1,837-19a6), der Grünce : -.,
Städtischen Museums in Göttingen und \-er::.s,.:
des \flerkes ,,Fünf Bücher deutscher F{aus:--,..-
tümer von den ältesten Zerten bis zum 16. T:-- -
hundert". Pionierarbeit geleisrer. Er ist a , -- .
nicae" im Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, 6. Lieferung,
1063 f.; - P. Sternagel, Die artes mechanicae im Mittei-
alter. Münchener historische Studien, hrsg. von J. Spörl, Bd. 2
tKallrnünz tq66) 67 ff.. 85 ff.
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hunderts. Archrv für Kulturgeschichte 2I (1931) 129 it.; -
Über die Konfrontation mii der fremden Kuliur siehe V.
Rittner, Kulturkontakte und soziales Lernen im Mittelalter.
Kreuzzüge im Licht einer mittelalterlichen Biographie. Kol-
lektive Einstellungen und sozialer.ü/andel im Miaelilter, hrsg.
r.on R. Sprandel Bd. 1 (Köln-\(ien 1.973) 741[., rc6 ff .
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(Krems 1964) 6 f.
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bergerzeit, in: Das babenbergische österreich (976-1246)
hrsg. von E. ZöI\ner (\Vien 19l8) 98 f.
, MGSS Tom. 12 (1.861'1 236; H. Kühnel, Die Minder-
brüder und ihre Stellung zu lVirtschaft und Geselischaft, in:
Katalog 8OO Jahre Franz von Assisi (\üien 1982) 4L
1c rff. Braunfels, Abendländische Klosterbaukui.: :-
1.969) 3a6.
rr J. Le Gof f , Kultur des europäischen Mittelalter.- I.l-,
chen-Zürich 197q 365.
12 The year 1200. A Centennial Exhibition at The \l::: :
litan l{useum of Art (New York 1920) XXXIV, XL.
13 J. von Schlosser, Die \fi/iener Schule der K::..::.
schichte. Mitteilungen des Instituts für österrer;:: r :
Geschichtsforschung, Erg. Bd. 13 (1934) 152 f.
la H. Kühne1, Realienkunde des Mittelahers L:. :.
frühen Neuzeit. Jahrbuch für Landeskunde von Nieci::, r::.
reich NF 37, 1965/67, 225.
1s J. Schwerdfeger, Die historischen Vereine ',;,..
1848-1908 (Vien 1908) 81 -
Kunstgeschichte, 153 f.
Schlosser, \(iener Sc::-. :.
446
Gips für die Herstellung von Zementmörtele.
Eine wahre Hymne auf den Fortschritt durch
Einsatz der Vasserkraft zum Betreiben einer
Mühle, einer \flalke und einer Lohgerberei sowie
zum Entfernen der Fäkalien enrhält eine Beschrei-
bung der Cistercienserabtei Clairvaux vom
s F. Klemm (wie Anm. 3) 61 t.; - Artikel ,,artes mecha-
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stiger Vater der Göttinger Stadtarchäologie zu
bezeichnen; 1889 fand im Göttinger Museum
bereits eine Ausstellung mirtelalterlicher Boden-
funde statt, und in seinen Vorlesungen in Basel
und Göttingen zvr Geschichte des Mittelalters
bezog er schon Bodenfunde als Quellen mit ein.
In Konstanz hat sich beispielsweise Ludwig
Leiner (1830-190i) der Mittelalterarchäologie
gewidmet. Bei Verlegung des Konstanzer Wasser-
röhrennetzes 1872 untersuchte er die mittelalter-
lichen Schichten und sammeite das Fundgut.
Leiner legte damit den Grundstock für die mittel-
alterarchäologische Sammlung des Rosgarren-
museumsl6.
Die zeitgenössische Archäologie des Mittel-
alters mit ihren verfeinerten Methoden und der
interdisziplinären Forschungsmethode unter
besonderer Heranziehung naturwissenschaft-
licher FachbereichelT vermochre in den letzten
beiden Dezennien in nicht unerheblichem Maße
neue Kenntnisse und Aspekte zum Thema des
Kölner Kolloquiums 1984 zu erbringen. Dies gilt
insbesondere für den städtischen Hausbau.
Die Monumentenarchäologie, die in der
Schvreiz vollständige Flausunrersuchungen
anstrebt und sich gemeinsam mit diversen Teil-
wissenschaften als Baustein zu einer ,,Stadt-
kunde" versteht, hat bei Untersuchung von Stein-
bauten, die bis ins frühe 13. Jahrhunderr zurück-
reichen, über Bautechnik, -materialien und
Dimensionen der Häuser wertvolle Aufschlüsse
gebracht. In den Urkunden wird für den städti-
schen Hausbau im südwestdeutschen-schweizeri-
schen Raum zwischen ,,Holzhäusern" und
,,gemauerten Häusern"
logie über Holzbauten nur Vermurungen ange-
stellt werden, nämlich, daß es sich hierbei um ein-
und zweigeschossige Ständerkonstruktionen mit
Kopf- und Fußbändern unrer einem Kehlbalken-
dach gehandelt haben dürfte. Der Bau eines sol-
chen bürgerlichen Holzhauses schildert sehr prä-
zise Bruder Wernher, ein Zeitgenosse der öster-
reichischen Herzöge Leopold VI. (t 1230) und
Friedrich II. (t 1250). Er hat aus seiner Erinne-
rung festgehalten, mit welcher Technik der Bau
errichtet und wie dessen Aussehen beschaffen
war19.
J. Schneider/Zirich führt zurecht den
profanen Steinbau auf die Architektur geistlicher
Immunitäten, auf herrschaftliche Bauten2o und
nicht zuletzt auf den Sradtmauerbau des 11./I2.
sowie 13. Jahrhunderts zurück. Gerade die Vech-
selbeziehung Mauerbau : Hausbau läßt sich auch
andernorts belegen. ,,Die Mauer war . . . das
sichtbarste Zeugnis für einen autonomen Bereich
der Bürgerschaft. So enrstand die Mauer zur
Abgrenzung eines Rechtsbezirkes und als demon-
stratives Zeich.en flir Befestigungsrecht und
Wehrhoheit, d. h. als Teile der werdenden städri-
schen Autonomie"21. Leopold V. von Österreich
war es vorbehalten, 1194 mit einem Teil des Löse-
geldes des englischen Königs Richard Löwenherz
die große Ringmauer für \X/ien in Angriff zu
nehmen und bis 1.221, zu vollenden, wobei die
kleinen Siedlungskerne vor der alten Anlage ein-
bezogen und Raum für einen großzügigen Stadt-
ausbau geschaffen wurde. Die für den Mauerbau
herangezogenen italienischen Bauhandwerker
haben nach Fertigstellung der Befestigungsanlage
damit begonnen, im Bereich des Hohen Marktes
die ersten ein- bis zweigeschossigen Steinhäuser
mit ein bis zwei Fensterachsen zu errichten22.
Aussehen und Beschaffenheit dieser Steinhäuser
weisen eine gewisse Ah.rlichkeit mit der Beschrei-
unterschiedenl8, jedoch können von der Archäo-
Scherben sind Geschichte. Alte und neue Funde zur Kon-
stanzer Stadtarchäologie. Ein Begleitheft zur Aussteilung im
Rosgartenmuseum, von Judith Oexle (Konstanz 1'984) 8 f.
tz Vgl. die kritischen Bemerkungen von R. Wenskus,
Randbemerkungen zum Verhältnis von Historie und Archäo-
1ogie, insbesondere mittelalterliche Geschichte und Mittel-
alterarchäologie. Vorträge und Forschungen Bd. 22 (Sigma-
rtngen 1979) 641 [.
1s Über das Verhältnis Steinhäuser ; Holzhäuser in Köln
1286 siehe J. Greving, Wohnungs- und Besitzverhältnisse
der einzelnen Bevölkerungsklassen im Kö1ner Kirchspiel
St. Kolumba vom 13. bis 16. Jahrhundert. Annalen des Histo-
rischen Vereins für den Niederrhein 78 (1904) 13; - H.
Kühne1, Das Alltagsleben im Hause der mittelalterlichen
Stadt, in: Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt,
hrsg. von Alfred Haverkamp (Köln-Vien 1984) : Städtefor-
schung: Reihe A, Bd. 18, 39.
le H. Kühnel (wie Anm. 8) 100 f.
20 C. Meckseper, Kleine Kunstgeschichte der deutschen
Stadt im Mittelalter (Darmstadt 1982) 1,\3 vertritt die Mei-
nung, daß die herrschaftlichen Bauten nicht unbedingt das
Vorbild für die städtischen Steinhäuser gewesen sein mußten,
sondern daß auch eine Umformung geläufiger mehrgeschos-
siger Holzbauten in Steinbauweise zu erwägen sei.
21 E. Maschke, Die deutschen Städte der Stauferzeir, in:
Katalog Die Zeit der Staufer Bd. 3 (Stuttgart 1977) 61.
22 H. Ladenbauer-Orel, Archäologische Bürgerhausfor-
schung in \Vien. Archäologisches Korrespondenzblatt 3
(1.973) 371 ff.; - dies., Bemerkungen zur archäologischen
-Viens ('Wien 1981) 33 f.
P. Csendes, Geschichte
447
- wie auch anderwärts -
16 5 Jahre Stadtarchäologie. Das neue Bild des alten Göt-
tingen, hrsg. von S. Schütte (Göttingen 1984) 1O; -
Stadtkernforschung in \Wien. Mannus. Zeitschrift für deutsche
Vorgeschichte 39 (1973) 29 f .; -
294554008.004.png
bung in der Chronik De rebus Alsaticß auf, worin
es für Straßburg und Basel heißt, daß die aus Stein
gebauten Häuser nur wenige und kleine Fenster
haben und es im Inneren an Licht mangle23. \(/ie J.
Schneider an eindrucksvollen Beispielen aus
Zirich, Basel, Schaffhausen und Frauenfeld nach-
weisen konnre, besaßen diese gemauerten Häuser
unterschiedliche Grundrißmaße (11 x 16 m;
7,5 x 10 m das dreigeschossige Haus ,,Zum
Rech" in Zirich;5 x 6 m), wobei für das bis zu
1,5 m starke aufgehende Mauerwerk größere Bol-
len- und Feldsteine verwender worden sind. Der
zunehmende Hausbau mit Sreinen sollte bald zu
einer Verknappung des Baumaterials führen, so
daß man im 13. Jahrhundert sich auch mit klei-
nerem Bollen- und Lesesteinmaterial zufrieden-
geben mußte. Die allgemeinen Angaben der
Elsässer Chronik werden durch die
Monumentenarchäologie insofern korrigiert, als
z. B. das Steinhaus am Neumarkt 4 in Zürich vier-
geschossig, jenes in der Schneidergasse in Base1
dleigeschossig war, und zwar bei einer Geschoß-
höhe von 2,20-2,4A m. Solche Gebäude mit aus-
gezeichneten Eckverbänden bzw. seit dem ausge-
henden 12., beginnenden 13. Jahrhundert in
Zirich mit Bossen- oder Buckelquadern waren
offensichtlich im Besitz der gehobenen sozialen
Schicht und solcherarr auch Statussymbol. Die
seit dem späten 13. Jahrhundert beiiebte Quader-
malerei für profane Innenräume beweist einmal
mehr, daß die durch Fugenbemalung imitierten
Quader als wichtigstes großflächiges Dekora-
tionselement zum Inbegriff der repräsentariven
Steinarchitektur geworden sind2a.
Frau A. Wiedenau/Köln, die sich schon
1.979 tn ihrer Dissertarion und jüngsr im 34. Band
des ,,Deutschen Bürgerhauses" (1984) mit den
romanischen Wohnbauten im Rheinland bzw. in
westdeutschen Städten befaßt hat, erbringt den
Nachweis, daß der seit dem Ende des 12.lahr-
hunderts sich entwickelnde neue bürgerliche
Wohnhaustyp aus älteren Traditionen des roma-
nischen \flohnhauses wie z. B. des Hauses Langen
Hecke 6 in Münstereifel oder des Vohnhauses
der alten erzbischöflichen Pfalz Kö1n
erwachsen ist. Solche Vorgängerbauren waren
einerseits die vom städtischen Adel bevorzugten
Bautypen der arx und des tunis, wobei am Ende
des 12. Jahrhunderts, bedingt durch die ge-
schwächte Stellung des Adels in den rheinischen
Städten, auch der Einfluß der feudalen Bauweise
zurückging. Zum anderen gewann seit der Mitte
des 12. Jahrhunderts der von der Geistlichkeit
getragene, neue Bauformen ausbildende Immuni-
tätsbau merklich an Bedeutung. Diese Immuni-
tätsbauten bilden das wichtigste Bindeglied zum
bürgerlichen Wohnhausbau des 13. Jahrhun-
derts2s. Die Motivation zum spezifischen bürger-
lichen \Tohnhaustyp, nämlich dem Köiner Gie-
belhaus, ist im steigenden Selbstwertgefühl des
Bürgertums zu suchen, das auf Grund des poliri-
schen und kulturellen Einflusses eine ihm
adäquate repräsentative Fassadengestaltung zur
Straßenseite anstrebte. Damit wurde ein neues
städtisches Element geschaffen, das sich durch
einen hohen Stufengiebel, angemessene Höhe
durch drei Geschosse und ein eingetieftes Keller-
geschoß zLrr Y o r r ats - und \fl arenlagerun g manif e-
stierte. Dieses Giebelhaus war selbstverständlich
von der Straße her zugänglich, was gleichfalls als
Ausdruck des Sozialpresrige zu werren ist, Dies
wird insbesondere in dem einzig erhalten geblie-
benen Haus dieses Typs, dem Overstolzenhaus in
der Rheingasse Nr. 8 zu Köln augenfällig, handelr
es sich doch um ein Patrizierhaus, das nicht als
Vohnhaus konzipiert wurde und deshaib auch
jegliche Zweckmäßigkeit vermissen 1äßt. Die
Beweggründe für dessen formenreiche und auf-
wendige Gestaltung lagen einzig im Anspruch auf
die Zugehörigkeit zur städrischen Führungs-
schicht. Hier liegt eine auffallende Parallele zu
den Regensburger Patriziertürmen vor. ,,Der
äußere Schmuck wie Fensterarkaden, Ztnnen,
Eckquader und die große Höhe sowie Vehrhaf-
tigkeit" (F. Arens) verliehen den Türmen Macht
und Vürde, waren aber ebenso ein Zeichen des
Reichtums der Patrizier2e .
Der ,,Städtische Hausbau in Norddeutsch-
land", über den G. Fehring/Lübeck referierte.
r MCSS Tom. 17 (1861.) 236.
2a Das neue Bild des alten Zürich, hrsg. vom Büro für
Archäologie/Zürich (2. Aufl. ZnrtchIgS4)64f.;- Ch. Gut-
scher-Schmid, Bemalte spätmitrelalterliche Repräsenta-
tionsräume in Zirrch, in: Nobile Turegum multarum copia
regum (Zürich 1982) 87 . - Zu dem umstritrenen Einfluß des
Mrttelmeerraumes auf die Einführung des Steinbaues siehe J.
Schepers, Mrttelmeerländische Einflüsse in der Bau- und
rVohnkultur des westLchen Mitteleuropa, in: Europäische
Kulturverflechtungen im Bereich der volkstümlichen überlie-
ferung. Festschrift zum 65. Geburtstag Bruno Schiers (Göt-
tingen 196l) 13 ff.
25 A. Viedenau, Romanrsche rü/ohnbauten im Rheinland,
in: Hausbau im Mittelalter. Jahrbuch für Hausforschung 33
(1,983) 172 [.
408
294554008.005.png
weist z. T. gewisse Analogien zur Baugenese im
südwestdeutsch/schweizerischen Raum wie auch
in den Rheinlanden auf, läßt zum anderen aber
auch eine völlig eigenständige architektonische
Funktionsentwicklung und Formensprache
erkennen. Gemeinsam ist diesen Landschaften bis
zur Mitte des 12. Jahrhunderts die Holzbautradi-
tion. Die Pfostenbauten in Minden und
Schleswig, Emden und Hamburg waren ein-
schiffig und häufig auch einräumig, vermutlich
aber schon mit Sparrendächern versehen. Sie
wurden in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhun-
derts durch Ständerbauten abgelöst, die nach den
Grabungsbefunden in Minden schon auf LJnter-
lagsteinen, in Danzig und Lübeck in der ersten
Hälfte des 13. Jahrhunderts bereits in Grund-
schwellen eingezapft waren27. Diese Technik
ermöglichte größere Dimensionen im Grundriß,
war aber auch Voraussetzung für den Fach-
werkbau und die Errichtung mehrerer Geschosse
sowie der hohen Diele. Die zahlreichen Holz-
bauten wgrfen naturgemäß die Frage nach dem
Baustoff auf. Beim Haus Rote Straße Nr. 25 in
Göttingen, dem ältesten Bürgerbau Niedersach-
sens, wurde die Entdeckung gemacht, daß die
Hälfte des Dachwerks bereits aus \Teichholz
besteht, weil das zuvor verwendete Eichenholz
nicht mehr im üblichen Umfang zur Verfügung
stand; diese mittelaherliche Energiekrise löste
man durch Fleranziehung von Weichholz, weil
Eichenholz teuer hätte importiert werden
müssen28. Die feudalen Bautypen der arx und des
turris erfuhren eine Umstrukturierung und
führten zur Ausbildung zweigeschossiger, unter-
kellerter Steinbauten, die seit der zweiten Hälfte
des 12. Jahrhunderts in Westfalen im rückwär-
tigen Bereich der Kaufmannshöfe als ,,Stein-
werke", d. h. als feuerfeste Speicher für wertvolle
Handelsware dienten. Im südlichen Nieder-
sachsen sowie in Lübeck dienten diese Stein-
bauten als straßenseitige ,,Kemenaten.. und
erfüllten \Tohnfunktionen. Die steinernen Saalge_
schoßbauten sind überwiegend im 12. Jahrhun-
dert in den Städten Nordwesteuropas errichtet
worden, wobei es sich um mehrgeschossige Stein-
bauten handelt, die im Obergeschoß die wichtig-
sten \X/ohnräumlichkeiten besaßen. Solche Saalge-
schoßbauten erreichten zuweilen enorme Dimen-
sionen, erwa der Bau in der Heydenstraße in
Braunschweig 45 m Länge (1274), während das
Haus Koberg Nr. 2 gegenüber dem Heiligen-
Geist-Spital in Lübeck eine Grundfläche von
11,5 x 19 m einnahm und über zwei, nach einer
Aufstockung sogar über drei heizbare Geschosse
verfügte. Das norddeutsche steinerne Dielenhaus
ist für Lübeck durch Bauunrersuchungen erst seir
der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundeits belegbar
(beispielsweise das Haus Königstraße Nr. 3O).
Man hat es hierbei nicht mit einem gänzlich neuen
Haustyp z1r tLtn, sondern mit einer Fortentwick_
lung der einschiffigen Ständerbauten und deren
Umsetzung in Stein oder Backstein2e. Der Handel
mit Massengütern, vornehmlich mit Getreide,
bedingte einen Hausrlp, der gegen Feuer sicher
sein und über eine überdurchschnittliche Spei-
cherkapazitat verfügen sollte. Der übergang ,rom
Holzbau zum Steinbau brachte auch rechlfiche
Veränderungen im Bereich des Grundeigentums
mit sich. Das Flaus wurde in der ersten Hälfte des
13. Jahrhunderts noch als Fahrnis betrachtet, weil
im Falle der Kündigung des geliehenen Bodens,
wie ein Beispiel von 1223 in Lübeck bezeugt, die
aus Holz errichteten edificia abgebrochen und an
anderer Stelle wieder aufgebaut werden konnten.
Nach den beiden Stadtbränden von Lübeck in der
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde durch
einen Ratserlaß verfügt, daß nur mehr aus Stein
oder Backstein gebaut werden sollte, d. h., daß
das Bauwerk fest mit dem Boden verbunden war"
Am Ende des 13. Jahrhunderts scheint man in
Lübeck Boden und Bauwerk als Einheit
betrachtet zu haben, nachdem schon IZ27 erx-
Z_eits.chrift 71/72 (1976/77) 6; -- rW. Unverzagt, E.
Nichel, Ausgrabungen in der Altstadt von Magdebirg, in:
N,eue Ausgrabungen in Deurschland (Berlin 195g) 589,
Abb. 4-7, mit Beispielen ,.on *ohrrtrrr-ähnlichen Häur.r.,
in Magdeburg.
u Man vergleiche hierzu die Schilderung des Jacobus von
Brügge aus dem Jahre 1.21,9 über Aussehen"und Funktion der
Holzhäuser in Spandau; A. von Müller, Edelmann...
Bürger, Bauer, Bettelmann. Berlin im Mittelalter (Frankfurt/
Main 1981) 1.7 ff ,,25.
'ZS 5 Jahre Stadtarchäologie. Das neue Bild des alten Göt_
tingen (1 984) 33; - über den Holzverbrauch bei der pfalz von
Gelnhausen siehe C. Arens (wie Anm.26) (1g-20 OOO
Pfähle). Für das Spätmitteialrer: Alitag im Spätmittelalter, hrsg.
von H. Kühnel (Graz-Köln 1984) 78 ff.
2e Zur Herstellung einer großen Anzahl von Backsteinen
waren leichr abbaubarer Ton und Lehm und genügend Holz
als Brennmaterial erforderlich; siehe K. B. Kruse, lacksteire
und Holz - Baustoffe und Bauweise Lübecks im Mittelalter,
in: Hausbau im Mittelalter. Jahrbuch für Hausforschung 33
(ie83) 38 f., 45 f.
449
e .C. I4eckseper (wie Anm.20) 112f.;- F. Arens, Der
Saalhof zu Frankfurt und die Burg zu Babenhausen. Mainzer
294554008.001.png
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