Christa Kuczinski - Roseend 01 - Wölfin des Lichts.pdf

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Christa Kuczinski
Roseend: Wölfin des Lichts
Fantasy
Buchcover von Qen Ademaj
©Verlag The Missing Text, Kirchberg 2013
Sara fühlte ihren Lippenstift zwischen den Fingern und schob
ihn unwirsch zur Seite. Endlich spürte sie den kalten Gegenstand,
hörte mit ihren überaus guten Ohren das leise Klimpern des
Schlüsselbundesundbeförderteihnzutage.BevorsichdieTürvoll-
ständig öffnete, schlüpfte sie hindurch und ließ sie hinter sich ins
Schloss fallen. Aufatmend lehnte sie sich gegen die schwere
Eichentür ihres neuen Zuhauses, das sie erst vor wenigen Wochen
bezogen hatte.
In diesem winzigen Dorf, das, wenn man es genau nahm, nur
aus einer Ansammlung windschiefer Cottages bestand, fühlte sie
sich sicher und geborgen.
Sie stieß sich von der Tür ab und folgte dem silbernen Licht-
strahl, der durch das Oberfenster der Eingangstür fiel, bis in ihr
kleines Badezimmer. Bereits unterwegs entledigte sie sich ihrer
Pumps und des dunkelblauen Blazers ihres Kostüms. Den ganzen
Nachmittagüberwarsiefahriggewesenunderleichtert,alssieend-
lich Feierabend machen konnte. Ihr Chef hatte sie verständnisvoll
angesehen, alsoberwüsste,wiesiesichansolchenTagen undvor
allem Nächten fühlte, in denen sie den überwältigenden Wunsch
nach Freiheit verspürte.
Doch zuvor würde sie ein entspannendes Bad genießen und
denMiefderStadtsogutesgingausihrenlangenschwarzenHaar-
enentfernen.SiebeugtesichzumWasserhahnvor,drehteaufheiß
und beobachtete, wie das Wasser in die Badewanne strömte. Das
Licht des langsam aufgehenden Mondes hatte freien Zugang durch
das Fenster und tauchte den kleinen Raum in einen weichen
Schimmer. Mit einer geschmeidigen Bewegung streifte Sara ihre
restliche Kleidung ab und stieg über den Wannenrand hinweg in
das dampfende Wasser. Wie immer verzichtete sie auf einen
Badezusatz, sie mochte den oftmals unterschwelligen, beißenden
Geruchnicht,derihrdasunangenehmeGefühlgabihreNasewäre
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verstopft. Kurz tauchte sie unter, lehnte sich mit dem Kopf gegen
den Rand und schloss die Augen.
Da das Bad im hinteren Teil des Cottages lag, bemerkte sie
nicht das vorsichtige Herantasten in der Dunkelheit außerhalb der
Mauern.EtwasschlichanderVorderseiteentlangundverschwand
seitlich den Hang hinab in Richtung des düsteren Waldes.
KurzdaraufstelltensichihrdiefeinenHärchenandenArmen
auf. Der Zeitpunkt, den sie schon den ganzen Tag herbeisehnte,
kam schneller als erwartet. Sara stieg aus der Wanne und
konzentrierte sich auf ihr Vorhaben. Ein Sprühregen an Wasser-
tropfen fiel auf die hellen Fliesen und spritzte gegen die gekachel-
ten Wände. Das stetige Tropfen des Wasserhahns nahm an Laut-
stärkezuundhallteindemkleinenRaumwider,alswürdesiesich
nicht in einem Badezimmer, sondern in einer riesigen Tropfstein-
höhle befinden. Für einen Augenblick spürte sie anstelle von Hitze
einen kühlen Luftzug. Sara war bereit für einen ihrer geliebten
nächtlichen Ausflüge.
Die schwarze Wölfin huschte durch die angelehnte Hintertür
hinausindenverwildertenGarten.TiefsogsiediefrischeNachtluft
ein,jauchzteleiseaufundsprangwieeinübermütigerWelpedurch
dashoheGras.Siebesannsichundschautesichargwöhnischinalle
Richtungen um. Nichts deutete auf ungewöhnliche Vorkommnisse
hinunddochverspürtesiefüreinenkurzenMomentdrohendeGe-
fahr. Nun etwas vorsichtiger schlüpfte sie unter der niedrigen
Hecke hindurch, lief seitlich den Hang hinab, und verschwand im
dichten Unterholz. Mit gespitzten Ohren lauschte sie den Ger-
äuschen der Umgebung. Tief in sich spürte sie die ihr vertraute
Wildheit,diesienurallzuoftunterdrückenmusste,indieserNacht
jedochgenosssieihreFreiheitinvollenZügen.DiefließendeBewe-
gung ihrer Muskeln, die sich in ihrer Spannkraft durch ihren gan-
zen Körper fortsetzten, trieb sie immer weiter voran. Der dunkle
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Wald verbarg sie vor der restlichen Welt und vermittelte ihr ein
tiefes Gefühl der Geborgenheit. Die Vielfalt der Gerüche, die ihr in
die Nase stachen, ließen sie mehrmals aufgeregt winseln. Neben
demFindlingzuihrerRechtenrochsiedassüßeAromadesTodes,
daseinigenGrasbüschelnanhafteteunddeutlichmachte,dasshier
vor kurzem ein Fuchs mit seiner Beute vorbeigeschlichen war.
Modrige Fäulnis stieg vom weichen Waldboden auf und die Luft
trug die Ausdünstungen unzähliger Wildtiere mit sich. Dennoch
trottetedieWölfingemächlichdenausgetretenenPfadentlang,der
siezueinerkleinenLichtungführte.BeiihremletztenAusflughatte
sie diesen verborgenen Ort entdeckt und er eignete sich hervorra-
gend für das, was sie vorhatte.
Nicht mehr ausschließlich auf die Geräusche ihrer Umgebung
konzentriert, ließ sie sich auf dem offenen Platz nieder und reckte
ihreSchnauzedemsternenklarenHimmelentgegen.Tiefatmetesie
die aromatische Luft ein und spürte ein drängendes Grollen, das
sichunaufhaltsamseinenWegdurchihreKehlebahnte.DieWölfin
verharrte mit geschlossenen Augen und übersah so den dunklen
Schatten, der sich seitlich am Waldsaum entlang systematisch in
ihre Richtung bewegte. Erst als eine kraftvolle, tiefe Stimme in
ihren Gesang einfiel, bemerkte Sara erschrocken, dass sie
keineswegs alleine war. Aus bernsteinfarbenen Augen, in denen
sichdashelleMondlichtspiegelte,fixiertesiedenimposantenWolf
in ihrer Nähe, der aus dem Halbdunkel der Bäume hervortrat. Er-
staunt,ihnnichteherentdecktzuhaben,fielihrerstjetztauf,dass
sich der kühle Nachtwind gedreht hatte und in ihre Richtung we-
hte. Der schwere Geruch von feuchter Erde, vermischt mit einem
starken maskulinen Duft, drang ihr in die Nase und verwirrte sie
für einen kurzen Moment. Mit gehetztem Blick auf den Wolf - sein
silbernesFellmitdemmarkantenschwarzenStreifen,dersichüber
seinenkraftvollenRückenzog,hattesichihreingeprägt-drehtesie
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