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individueller Textplan
che Presse versus regierungskritische Presse usw. Und schlieI3lich gibt es auch noch
den individuellen Textplan, d. h. die ganz personliche Art und Weise, wie ein Schreiber
Joumalist die sprachliche Form der Nachricht auf der Folie des (oder der) zugrunde
liegenden T extmuster( s) realisiert, wie er (oder sie) den Leser anspricht, neugierig
macht, ihn eventuell zu beeinflussen sucht usw. (Dass sich in Texten auch ein ganz
personlicher Stil auI3ert, ist namrlich eine Binsenweisheit. Beim Schreiben in der
Fremdsprache kommt dieser personliche Stil meisterst bei Fortgeschrittenen zum
Tragen.)
Wenn wir von Textsorten sprechen, miissen wir noch weiter fragen: Liegt Zeitungs-
nachrichten eigentlich in allen Landem und Sprachen dasselbe Textmuster zugrunde':'
Oder gibt es Unterschiede, Unterschiede zwischen dem deutschen Textmusterund dem
Textmuster in anderen Sprachen, in anderen Landem?
Untersuchungen haben gezeigt, dass vi ele Textsorten in verschiedenen Sprachen ganz
unterschiedlich realisiert werden, oder anders gesagt: Fiir viele Textsorten gibt es
unterschiedliche, kulturgepragte Schreibkonventionen. Diesem Aspekt wollen wir im
folgenden Abschnitt nachgehen. Dabei mochten wir Sie bitten, die angefUhrten
Beispiele, wenn mogli ch, an Ihrer Sprache und den Schreibtraditionen in Ihrem Land
zu iiberpriifen.
kulturgepragte
Schreibkonventionen
Kleiner Exkurs: kulturgepd'igte Textmuster und Schreibkonventionen
So wie es in verschiedenen Regionen und Landem unterschiedliche Konventionen fUr
den Bau von W ohnhausem gibt (e in schwedisches Einfamilienhaus unterscheidet sich
von einem englischen, franzosischen, j apanischen, deutschen, arabischen W ohnhaus).
so gibt es auch im Bereich der Textsorten unterschiedliche Konventionen. Im schon
erwahnten dritten Band des Lehrwerks Sichtwechsel Neu (Bachmann u. a. ( 1996 b), in
dem die Arbeit mit Textsorten einen Schwerpunkt bildet, werden zum Beispiel
Kuchenrezepte aus verschiedenen Landem untersucht (TeiI25.1). Dabei zeigt sich.
dass es unterschiedliche Formen der schriftlichen Rezeptwiedergabe gibt. Das betrifft
die Genauigkeit von MaI3- und Mengenangaben (eine Schale Zucker, 8 Lo.ffel Zucker
oder 180 Gramm Zucker), die Riickschliisse auf Kochtraditionen erlauben: Wie vi el
Zucker ist z. B. "eine Schale Zucker"? Wie graI3 ist die Schale, mit der hier gemessen
werden soll? Wie wird dieses Wissen vermittelt? W orauf lasst andererseits das
Bediirfnis nach genauen Gewichtsangaben in Gramm (wie z. B. in deutschen Kochbii-
chem) schlieI3en? Unterschiede lassen sich auch im Lay-out und bei den Anweisungen
feststellen. So findet man in deutschen Rezepten unpersonliche Infinitivformen: ... die
Eier mit der Butter schaumig rilhren, das Mehl mit dem EL unterrilhren ... , in den
ungarischen Beispielen personliche F ormulierungen ... wir rilhren Zucker mit Eigelb
... Zur Masse geben wir ... und in den rumanischen Passivformen und man: Der Zucker
wird mit den Eiern gut verrilhrt, dazu giejJt man ...
In den letzten Jahren wurde die Aufmerksamkeit verstarkt auf unterschiedliche
Schreibtraditionen gelenkt. Ruth EI3er hat in einer wissenschaftlichen Untersuchung
unterschiedliche kulturgepragte Schreibtraditionen in deutschen und mexikanischen
wissenschaftlichen Referaten herausgearbeitet (EI3er 1997). Bettina Missler, Anke
Servi und Oieter Wolff haben die Textsorte Lebenslauf in mehreren europaischen
Landem (Deutschland, Frankreich, England, Oanemark, Portugal) untersucht und
selbst bei so "nahe Iiegenden Kulturen" deutliche Unterschiede festgestellt (GAL
Bulletin 23/1995). Barbara Kuhn und Susanne Otte haben Bewerbungsunterlagen von
Studentinnen aus der Mongolei, die sich fUr Au-pair-Stellen in Oeutschland bewerben
wollten, ausgewertet. Sie schreiben:
"Aus deutscher Sicht darf ein Lebensiauf keine Liicken aufweisen, vage Zeitangaben
wecken bei Personalchefs MiBtrauen, daB der/die BewerberIn etwas zu vertuschen.
etwa sogar Zeit , vergeudet' hat. In der Mongolei ist Zeitjedoch ein relativer Begriff. Auf
dem Land besitzen viele Leute keine Uhr und richten sich nach der Sonne ... Des-
halb kommt z. B. die Angabe im Sommer ais Geburtsdatum durchaus vor." (Kuhn/Otte
1995,528).
kulturelle Pragung von
Textsorten
Bedeutung fUr den
Fremdsprachen unterricht
Was bedeutet das fUr den Unterricht in Oeutsch aIs Fremdsprache? Ober ihre gesamte
Sozialisation*, und dazu gehort auch das schulische Lemen, haben die Deutsch-
lemenden "ihre" kulturgepragten Textmuster intemalisiert. Oieses textsortenspezifische
"Wis sen" bringen sie in den Deutschunterricht mit und iibertragen es zunachst
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automatisch auf die entsprechenden Textsorten der Zielsprache (vgI. W olff 1992, 122).
Besonders im Portgeschrittenenunterricht miissen deshalb die verschiedenen Text-
muster in Ausgangs- und Zielsprache bewusst gemacht und verglichen werden. (Dass
dieselben Beobachtungen auch ftir miindliche Textsorten gelten, sei hier nur am Rande
vermerkt. Hinweise und Aufgaben zu "unterschiedlichen Kommunikationsstilen"
finden Sie auch in dem bereits erwahnten Band 3 des Lehrwerks Sichtwechsel Neu.)
Auch im Grundstufenunterricht kannen unterschiedliche Konventionen beim Schrei-
ben eine Rolle spielen. So zeigt der Vergleich formeller Briefe im Deutschen und im
Franzasischen nicht nur Unterschiede auf der W ortebene: Wahrend die deutschen
Abschlussformeln in Geschiiftsbriefen Mit freundlichem GrujJ/Mit freundlichen Grii-
jJen im Zuge einer allgemeinen Liberalisierung das steife Hochachtungsvoll weit-
gehend abgelast haben, werden im Pranzasischen in der Regel immer noch herkamm-
liche, steife Pormulierungen wie z. B. Veuillez agn'!er mes/nos sentiments distingwis
verwendet. Diese Pormel weist auf einen "kulturell gepragten Hintergrund", namlich
einen insgesamt fórmlicheren Umgang im Geschaftsleben in Prankreich. Ebenso kann
die englische Abschlussformel Yours sincerely/amerikan. Yours truely aIs Indiz fur
lockerere Umgangsformen unter Geschiiftspartnern gewertet werden.
Auch bei "Berichten" und "Erlebniserzahlungen", bei "Einladungen" und "Absagen",
bei "Bildbeschreibungen" und "Zusammenfassungen" oder "Wiedergaben" von Tex-
ten/Biichern/Pilminhalten kannen kulturgepragte Muster wirksam sein (Was wird
iiberhaupt wahrgenommen, was wird zuerst genannt, was tritt in den Hintergrund, vgI.
W01ff1992, 123). Hierwerden kontrastive Untersuchungen noch zu vielen interesssanten
Ergebnissen fuhren. Aber auch Sie sollten in Ihrem Grundstufenunterricht hin und
wieder versuchen, solche unterschiedlichen Textmuster durch den kontrastiven Ver-
gleich von Texten der Ausgangs- und der Zielsprache bewusst zu machen.
Literaturhinweis
Zur "Vorbildfunktion" zielsprachlicher Texte
Die Arbeit mit zielsprachlichen Texten kannen wir iiber die Analyse des textsorten-
spezifischen Rahmens (oder Textmusters) und der wichtigsten Gliederungspunkte
(beides = Makrostruktur des Textes) hinaus weiter vertiefen. Dabei kannen die
Deutschlernenden Einsichten in die Peinstruktur von Texten (Mikrostruktur) gewin-
nen, die ihnen bei der Textproduktion niitzlich sein kannen.
Analyse zielsprachiger
Texte ais Voraussetzung
von Textproduktion
Makrostruktur/
Mikrostruktur von Texten
Nehmen wir zum Beispiel den folgenden Text aus der Siiddeutschen Zeitung, aus dem
Bereich "Vermischtes". Piir unsere Zwecke haben wir den Text in ein Raster, man
kannte auch sagen "in eine Schablone", gestellt. Die groben Gliederungspunkte
"Einfuhrungsteil", "Hauptteil" und "Schluss", die im Prinzip injedem Text zu finden
sind, haben wir schon angegeben, damit Sie sich ganz auf den Peinaufbau des Textes
konzentrieren kannen.
a) Bilte analysieren Sie den Feinaujbau des Textes in den angegebenen
Schritten. "Bauabschnitt" 1. haben wir schon benannt. Schreiben Sie
entsprechende Stichworter fiir die "Bauabschnitte " 2. - 7. in das Raster.
Aufgabe 92
Geschenke machen nicht
immer Preude. Manchmal
geschieht genau das
GegenteiI.
1.
Einfiihrung
des Themas:
Behauptung
(These)
Warum das so ist?
2.
Weil derjenige, der schenkt,
manchmai andere PIane mit
dem Geschenk hat, aIs der-
jenige, der es geschenkt
bekommt.
3.
109
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So hat einmal eine Frau fur ihren
6.
~.
;:::
4.
(1:>
unbedingt sofort wissen, was in
•...•.
-.~
schenken. Der Mann holte ein
•...•.
Geburtstag am nachsten Tag
Hause gebracht. Er wolIte
Offnen. AIs die Frau ihrem Mann
Mann ein Packchen mit nach
dem Packchen ist. Die Frau
wolIte, rutschte dieser aus und
....
Weder Krankenhaus noch Polizei-
Was in dem Packchen war?
~
Der Mann kam ins Krankenhaus,
nach: Siiddeutsche Zeitung
b) Welche Techniken verwendet der Autor, um seinen Text fur die Leser
interessant zu machen?
Arbeit mit Text-
schab lon en
Auf der Basis einer so erarbeiten Textschablone konnen die Deutschlemenden nun
einen eigenen Text schreiben, z. B. iiber irgendein lustiges Ereignis oder zu den
Themen Sport ist gesund oder Lesen macht Spaj3. Natiirlich kann man die Reihenfolge
der Bausteine auch abwandeln, z. B. zuerst mit einer Frage beginnen, dann eine
Behauptung aufstelIen usw.
Auf jeden FalI ist es zunachst einmalleichter, einen Text auf der Basis einer so1chen
Schablone zu schreiben, aIs einen ganz eigenen Textbauplan zu entwickeln.
Versuchen Sie nun selbst, aus dem folgenden Text eine Textschablone herauszuarbei-
ten und darauf aufbauend einen Text zu schreiben.
Aufgabe 93
1. Bilte erarbeilen Sie die Textschablone, die demfolgenden Text zugrunde
liegt. Beachten Sie dabei das Tempus, in dem die Textteile geschrieben
sind.
2. Schreiben Sie anhand Ihrer Schablone einen Paralleltext.
Wer kennt den Jungen?
kein Wort.
Der Junge ist etwa 16 Jahre alt, 1,76 mgroB, hat lange blonde Haare und
Gestern tiel einem Polizisten aut dem Marienplatz ein etwa 16jahriger Junge
nach: Siiddeutsche Zeitung
Textverg leich
Eine andere Moglichkeit, Makro- und Mikrostruktur von Texten zu analysieren, ist der
Textvergleich.
Wir mochten Sie bitten, mit den Aufgaben 94 und 95 noch einmal zwei Texte zu
vergleichen, die Sie schon kennen: die Zeitungsnachricht A ch tjahriger Junge verzau-
110
....
...
....
...
S
tl:i
~ .
~
1;l
5.
7.
•...•.
wolIte es ihm aber zu seinem
Messer und wolIte das Packchen
Polizei verhort.
(1:>
die Frau wurde von der
hen der Marke Adidas.
In einer PIastiktUte, die der Junge bei sich trug, betanden sich zwei Bucher
von Max Frisch.
aut, der ziellos herumliet. Er machte einen verwirrten Eindruck und redete
blaue Augen. Bekleidet ist er mit einem gelben T-Shirt, Jeans und Turnschu-
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bert auf Seite 92 und den Erlebnisbericht von Hans Stuck Die tollste Fahrt meines
Lebens auf Seite 91.
Text 1: Achtjiihriger Junge verzaubert
Bilte beantworten Sie die Fragen zum Text.
l. Um welche Textsorte handelt es sich?
2. Aus welchen vier Teilen besteht der Text (Textmuster)?
3. In welchem Tempus steht der Text? Warum?
4. In welcher Reihenfolge werden die Ereignisse berichtet?
5. In welcher Personalform ist der Text geschrieben?
6. Bewertet der Verfasser des Textes das Ereignis?
7. Warum enthalt der Text keine wortlicheldirekte Rede?
Aufgabe 94
Text 2: Die tollste Fahrt meines Lebens
Bilte beantworten Sie die Fragen zum Text.
l. Um welche Textsorte handelt es sich?
Aufgabe 95
2. Wie lasst sich der Text gliedern? Schreiben Sie die Gliederungspunkte
an den Rand des Textes aufS. 91.
3. In welchem Tempus ist der Text geschrieben? Warum?
4. In welcher Personalform ist der Text geschrieben? Und warum?
5. Wo im Text bezieht der Erzahler Stellung, bewertet er?
6. Markieren Sie den Anteil der wortlichen Rede. Was fii/lt Ihnen auf und
wie erkIaren Sie diese Verteilung?
Sie haben nun die beiden Textsorten genauer untersucht und die textsortenspezifischen
:Y1erkmaleder Texte notiert.
Bille stellen Sie in der folgenden Obersicht die textsortenspezifischen
Merkmale der beiden Texte vergleichend einander gegeniiber (in Stichwor-
Erlebniserziihlung
Aufgabe 96
dieser Textsorte?
Welche Funktion hat
c) Tempus:
Nachricht
111
der Text?
der Schreiber?
Wie wirkt der Text
des Textes?
a) Aujbau:
b) Stil:
Welche Absicht hat
auf den Leser?
Wie ist die Struktur
ten).
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Wenn Ihre Schiilerinnen und Schiiler auf diese Art und Weise Textmuster an Modellen
herausgearbeitet haben, sind sie in der Lage, die dabei gewonnenen Einsichten in der
eigenen Textproduktion umzusetzen. Bleiben wir bei den Beispielen von Zeitungstext
und Erlebnisbericht.
Aufgabe fUr die
Textproduktion
Eine entsprechende Aufgabe k6nnte so gestaltet sein:
Aufgabe 97
Schauen Sie sich das Foto an und schreiben Sie drei kurze Texte.
l. Beschreiben Sie das Foto.
2. Was ist hier wohl passiert? Schreiben Sie eine Zeitungsnachricht.
3. Schreiben Sie eine Erlebniserziihlung oder einen Brie! an den be~ten
Freund/die beste Freundin.
Derlath (1991), Nr. 26
Hinweise flir den Unterricht:
1. Lassen Sie die Schiilerinnen und Schiiler "ihre" Textsorte selbst wahlen: Die einen
schreiben eine "Beschreibung", die anderen eine "Zeitungsnachricht", wie der
andere einen "Erlebnisbericht". So bekommen Sie viele Texte, die neben den
textsortenspezifischen Merkmalen auch viele unterschiedliche, individuelle Schreib-
weisen zeigen. Beim Vor1esen und Vergleichen der Texte in der Klasse sollten Sie
dann bei guten L6sungen immer wie der darauf hinweisen, dass der Textsorten-
rahmen ganz unterschiedlich gefullt werden kann. Auf diese Weise werden die
Lemenden ermutigt, auf ihre ganz pers6nliche Art zu schreiben, d. h. einen eigenen
Schreibstil zu entwickeln.
2. Lassen Sie die Lemenden bei Schreibaufgaben zu Textsorten so oft wie m6g1ich von
eigenen Erlebnissen, von spannenden, interessanten Texten ausgehen, von Texten,
die Sie gerade in der Klasse gelesen haben oder von Bildem, die jemand aus der
Klasse mitgebracht hat.
3. Manchmai ist es sinnvoll, Teile eines Textes gezielt zu iiben, z. B. Einfuhrungs-
phasen (mit oder ohne besondere Stimulierung des Lesers), einzelne (thematische)
Absatze, verschiedene Schliisse.
Absatze
Mit diesem letzten Punkt sind wir bei einem weiteren wichtigen Merkmai von Texten
angelangt: Die meisten Texte enthalten Absatze.
Zum Autbau von Texten in Absiitzen:
In Deutschlehrwerken findet man haufig Aufgabenstellungen wie die folgenden:
Gliedem sie den Text X in Absatze. Finden Sie Uberschriften zu den Absatzen.
Bringen Sie die durcheinander gewiirfelten Absatze in die richtige Reihe.nfolge.
112
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Zgłoś jeśli naruszono regulamin